Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz Befangenheitsantrages. Erledigung des Ablehnungsgesuchs durch Einlassung des Prozessbevollmächtigten in die Verhandlung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsakts

 

Orientierungssatz

1. Obwohl der Kläger - nach Ablehnung seines Antrages auf Vertagung - in der Nacht vor der mündlichen Verhandlung einen Befangenheitsantrag gestellt hat, kann der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung eine Entscheidung treffen, da der zur mündlichen Verhandlung erschienene Prozessbevollmächtigte des Klägers den Ablehnungsantrag nicht erneuert, sondern sich in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs in die Verhandlung eingelassen und ausschließlich Sachantrag gestellt hat.

2. Zur Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 SGB 2.

 

Normenkette

SGG § 60 Abs. 1; ZPO §§ 43, 47; SGB II § 1 Abs. 2 S. 4 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 1 Sätze 2, 6; SGB III § 18 Abs. 1; SGB X § 33 Abs. 1; GG Art. 12

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.01.2016; Aktenzeichen B 14 AS 193/15 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes (EGV) vom 13. Juni 2012 nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

Der 1966 geborene Kläger bezog ab 1. Februar 2002 Arbeitslosengeld und dann wegen fortbestehender Arbeitslosigkeit ab 29. August 2004 zunächst Arbeitslosenhilfe und schließlich ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 12. Juni 2012 erklärt hatte, eine vom Beklagten vorgesehene Eingliederungsvereinbarung für rechtswidrig zu erachten, regelte der Beklagte Eingliederungsmaßnahmen nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II durch Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012, der zwecks Integration in den Arbeitsmarkt die Verpflichtungen des Klägers zum Inhalt hatte, kontinuierliche Bewerbungsbemühungen um einen Arbeitsplatz zu entfalten und diese regelmäßig gegenüber dem Beklagten nachzuweisen sowie an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung teilzunehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte bei Einhaltung der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Bewerbungskostenpauschale in Höhe von monatlich 20 € aus dem Vermittlungsbudget. Im Bescheid wurde ein Geltungszeitraum vom 13. Juni bis 12. Dezember 2012 genannt, in dem der Kläger “monatlich mindestens 4 Bewerbungen vorzunehmen„ hatte, die gegenüber dem Beklagten jeweils zum Monatsende, erstmals zum 30. Juni 2012, nachzuweisen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte der Kläger auch “Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Musterbewerbungsanschreiben, Zeugnisse und Qualifikationsnachweise)„ beim Beklagten vorlegen. Für den Fall der Nichterfüllung der klägerischen Pflichten sollte der Fallmanager im Einzelfall darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Bewerbungskosten aus dem Vermittlungsbudget gezahlt würden. Hinsichtlich der Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen übernahm der Beklagte die erforderlichen Kosten für die preisgünstigste und zweckmäßigste Fahrkarte des öffentlichen Personennahverkehrs, bzw. bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs, je gefahrenem Kilometer zwischen Wohnung und Vorstellungsort 0,20 € nach Vorlage der erforderlichen Nachweise. Die Bewerbungsbemühungen des Klägers sollten sich auf “zumutbare Tätigkeiten (kaufmännisch), auch Helfertätigkeiten„ erstrecken. Die Arbeitsgelegenheiten sollten ebenfalls Helfertätigkeiten (bevorzugt kaufmännisch) wie auch Pflegearbeiten (z.B. Hausmeister) umfassen, wobei der Fallmanager noch eine passende Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung suchen und dem Kläger in einer schriftlichen Einladung die Einzelheiten mitteilen sollte. Allerdings wurde bereits festgelegt, dass im Rahmen der Arbeitsgelegenheit Elektrogeräte demontiert, sortiert etc. werden sollten, um eine größere Sortenreinheit und Rückgewinnungsquote für Wertstoffe zu erzielen. Diese Eingliederungsmaßnahme sollte der beruflichen Orientierung und sozialen Stabilisierung dienen sowie den Auf- bzw. Ausbau individueller Fähigkeiten und Ressourcen fördern. Wegen näherer Einzelheiten der Regelungen wird auf Bl. 65-69 der FM-Akten des Beklagten Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 15. Juni 2012 zugestellt.

Den dagegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil ihm der Beklagte noch für die Zeit vor der Zustellung vom 13. bis 15. Juni 2012 rückwirkende Gültigkeit beigemessen habe, der Bescheid nicht hinreichend bestimmt sei, weil nicht klar sei, ob die monatlich geforderten 4 Bewerbungen jeweils im Kalendermonat oder jeweils vom 13. eines Monats bis zum 12. des Folgemonats zu erfolgen hätten, die Vor...

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