Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für in der DDR lebende Kinder. Selbstbindung der Verwaltung. rechtswidrige Verwaltungsübung
Leitsatz (amtlich)
Eine dem Gesetz widersprechende Verwaltungsübung führt auch dann zu keiner Selbstbindung der Verwaltung, wenn sie über mehrere Jahre hinweg fortgeführt wird. Auch der auf einer Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beruhende Runderlaß Nr. 213/79 der Bundesanstalt für Arbeit vom 25.10.1979 kann demzufolge nach Ablauf der Übergangsregelung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 zu keinem Kindergeldanspruch für in der DDR lebende Kinder führen, und zwar auch dann nicht, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen dieses Runderlasses erfüllt sind.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 5 i.d.F. d. 8. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14.11.1978, Rd. Erl. Nr. 213/79 der Bundesanstalt für Arbeit vom 25.10.1979
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.10.1982; Aktenzeichen S-1/14/Kg-54/81) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1982 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld für seinen in der DDR lebenden Sohn P.
Der Kläger war in erster Ehe verheiratet mit Frau D. H.. Aus dieser Ehe entstammt der am 15. Februar 1959 geborene Sohn P. P. H. lebt, ebenso wie seine Mutter, in der DDR. Für P. bezog der Kläger bis Juli 1977 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz. Im Januar 1980 wurde P. H. zum Studium an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau in R./DDR zugelassen.
Am 23. Februar 1981 beantragte der Kläger die Zahlung von Kindergeld für P. Nachdem die Beklagte vom Kläger die Vorlage eines Nachweises über die Ausbildung von P. sowie über die Höhe des in der DDR gezahlten Kindergeldes angefordert hatte, der Kläger sich hierzu jedoch nicht in der Lage sah, wurde der Antrag durch Bescheid vom 12. Mai 1981 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 zurückgewiesen.
Am 3. August 1981 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und insbesondere vorgetragen, er habe sich in der DDR immer wieder um die Beschaffung der angeforderten Nachweise bemüht. Dies sei jedoch vergeblich gewesen.
Durch Urteil vom 21. Oktober 1982 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, nach der Übergangsregelung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes sei spätestens mit Ablauf des 31 – Dezember 1979 ein Kindergeldanspruch für Kinder, die in der DDR leben und damit keinen Wohnsitz im Bundesgebiet haben, weggefallen. Die getroffene Neuregelung, die nicht gegen das Grundgesetz verstoße, finde auch auf den Kläger Anwendung. Dabei könne dahinstehen, ob und inwieweit die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis insoweit großzügiger verfahre und Ausnahmen von diesem Grundsatz zulasse. Eine gerichtliche Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung komme jedoch aufgrund der dargelegten Rechtslage nicht in Betracht.
Gegen das dem Kläger am 18. Dezember 1982 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Januar 1983 eingegangene Berufung. Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe für P. nach dessen Entlassung aus den Diensten der Nationalen Volksarmee der DDR erneut ein Anspruch auf Kindergeld zu. Sein Sohn habe im November 1980 das Studium aufgenommen. Seither habe er P. Paketsendungen im Gegenwert von jährlich mindestens 3.000,– DM zukommen lassen und demzufolge die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte Kindergeld für in der DDR lebende Kinder gewähre, erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1982 und den Bescheid vom 12. Mai 1981 sowie den Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für seinen Sohn P. für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für solche Kinder kein Anspruch auf Kindergeld mehr, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Beklagte verfahre in ihrer Verwaltungspraxis nach einer Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung indes großzügiger. Sie gewähre auch für Kinder, die einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes genannten Gebieten (mit Ausnahme von Jugoslawien und China) haben, Kindergeld unter den Voraussetzun...