Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für Kinder in der CSSR. deutscher Staatsangehöriger. Verlust der Staatsangehörigkeit der DDR. deutscher Volkszugehöriger

 

Leitsatz (amtlich)

1) So wie dem Erwerb der Staatsangehörigkeit der DDR für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der (gesamt-)deutschen Staatsangehörigkeit zuzumessen ist (vgl. BVerfG Beschluß vom 21. Oktober 1987 – 2 BvR 373/83), kann auch die Aufgabe der Staatsangehörigkeit der DDR zu einem Verlust der (gesamt-)deutschen Staatsangehörigkeit führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit – z.B. durch Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit – in Übereinstimmung mit den Regelungen des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes erfolgt und seinerseits mit dem ordre public vereinbar ist.

2) Das Verbleiben eines volljährigen, sich noch in der Ausbildung befindlichen Kindes in der Tschechoslowakei bei der leiblichen Mutter, die eben falls die Staatsangehörigkeit der CSSR angenommen hat, führt bei einer solchermaßen erfolgten Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit unter Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR, sofern die Annahme dieser Staatsangehörigkeit nicht lediglich der notwendigsten Existenzgrundlage dient (hier: Erlangung eines ganz bestimmten Studienplatzes), zum Verlust der Rechtsstellung als „deutscher Volkszugehöriger” und steht deshalb dem Kindergeldanspruch des im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes lebender Vaters nach § 2 Abs. 5 Satz 3 BKGG entgegen.

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs. 5 S. 3 (Fassung 1985-06-27 – BGBl I, S. 251)

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 07.06.1984; Aktenzeichen S-5/Kg-5/83)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.07.1989; Aktenzeichen 10 RKg 22/88)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. Juni 1984 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Kindergeld für seine in der Tschechoslowakei lebende Tochter C. für die Zeit ab August 1981 bis einschließlich Januar 1988.

Der Kläger ist am … 1924 in Prag geboren. Er heiratete am 15. März 1963 in R. die am … 1939 geborene deutsche Staatsangehörige W. S. Am 17. Juni 1963 wurde in R. die gemeinsame Tochter C. der Eheleute Z. geboren. Nach dem DDR-Staatsangehörigkeitsgesetz erwarb C. mit ihrer Geburt die Staatsangehörigkeit der DDR. Ende 1963 verzog der Kläger mit seiner Familie in die CSSR. C. ging dort zur Schule. Im Sommer 1982 legte sie ihr Abitur ab. Im Oktober 1982 begann C. in Prag mit dem Studium der Zoologie, das nach dem Vortrag des Klägers im Januar 1988 abgeschlossen wurde. Spätestens mit dem 30. März 1981 erlangte C., ebenso wie ihre Mutter, auf entsprechenden Antrag und unter Aufgabe der Staatsangehörigkeit der DDR durch Einbürgerung die Staatsangehörigkeit der CSSR.

Am 22. November 1968 wurde die Ehe der Eheleute Z. geschieden. Am 4. November 1969 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland. C. verblieb mit ihrer Mutter in der CSSR. Am 29. Januar 1970 wurde der Kläger als Asylberechtigter anerkannt. Durch Einbürgerung erwarb der Kläger am 18. Januar 1982 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die erfolgte Einbürgerung erstreckte sich nach dem Inhalt der Einbürgerungsurkunde des Regierungspräsidenten in Köln vom 2. Dezember 1981 nicht auf die Kinder des Klägers.

Nach seiner Einstellung im öffentlichen Dienst im Oktober 1970 erhielt der Kläger vom Beklagten für C. bis einschließlich Juli 1981 Kindergeld. Durch Bescheid vom 15. September 1981 wurde das Kindergeld mit Ablauf des Monats Juli 1981 entzogen. Dieser Bescheid wurde bindend. Nach erfolgter Einbürgerung stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld. Durch Bescheid vom 12. Februar 1982 wurde dieser Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Gewährung von Kindergeld scheitere daran, daß der Kläger noch nicht mindestens 15 Jahre lang einen Wohnsitz im Gebiet des Deutschen Reiches von 1937 gehabt habe. Auch dieser Bescheid wurde bindend.

Am 30. Juli 1982 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung von Kindergeld, den er damit begründete, bei der Berechnung der 15-Jahresfrist müsse auch die Zeit ab Oktober 1943 bis zum Ende des Krieges berücksichtigt werden. Während dieser Zeit sei er zur Arbeit bei den Junkerswerken in Berlin dienstverpflichtet gewesen. Durch Bescheid vom 18. März 1983 wurde auch dieser Antrag abgelehnt. Der Beklagte berief sich dabei darauf, selbst unter Berücksichtigung der Zeit der Dienstverpflichtung sei jedenfalls bis zum 31. Dezember 1982 der geforderte 15-jährige Aufenthalt noch nicht erreicht gewesen, so daß bis zu diesem Zeitpunkt eine Kindergeldgewährung ohnehin nicht in Betracht komme. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1983 scheide die Kindergeldgewährung nach den nunmehr geänderten gesetzlichen Bestimmungen aus. Für in der CSSR lebende Kinder komme die Gewährung ...

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