Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Gastregisseur
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Ein abhängig Beschäftigter hat fremdbestimmte Arbeit zu leisten, während der Selbständige, der Dienstverträge abschließt, in größerem Maß selbstbestimmte Arbeit leistet. Ein Gastregisseur, der von einem kommunalen Betrieb zur Inszenierung einer Oper beauftragt ist, ist abhängig von dem ihm vom Betrieb zur Verfügung gestellten Personal und der entsprechenden Apparatur. Er ist damit in dessen Betrieb eingegliedert und in der Gestaltung seiner Arbeit persönlich abhängig.
3. Beruflich ist er auf den ihm zur Verfügung gestellten Theaterbetrieb angewiesen, bei dem er seinen Arbeitsplatz für die Zeit des Vertragsschlusses hat.
4. Dass sich das Theater seinen künstlerischen Vorstellungen zu unterwerfen hat, ist kein Indiz für das Vorliegen der Merkmale einer selbständigen Tätigkeit.
5. Ein fehlender Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und die Möglichkeit, weitere Engagements einzugehen, hat dabei keine wesentliche Bedeutung.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 1977 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 1973, der den vom 27. Dezember 1971 ersetzt hat und Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1973 die Versicherungspflicht der ab 1. Dezember 1968 aufgrund von Gastverträgen bei der Klägerin beschäftigten Regisseure und Bühnenbildner festgestellt und dafür für die Zeit ab 1. Dezember 1968 Beiträge von insgesamt 30.719,02 DM nachberechnet hatte, stellte sie weiterhin mit Bescheid vom 25. Juli 1975 die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 3) fest, der für die Zeit vom 4. November bis 30. Dezember 1969 als Gastregisseur engagiert worden war. Sie forderte für die Beigeladene zu 1) Beiträge von 517,--DM und für die Beigeladene zu 2) von 32,12 DM und damit insgesamt 549,12 DM nach. Der Beigeladene zu 3) sei für eine bestimmte Produktion unter Vertrag genommen und bei Erfüllung der übernommenen Aufgaben in den Betrieb eingegliedert worden. Hieraus ergebe sich sowohl die Verpflichtung, die gestellten Termine einzuhalten wie auch die Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Ausführung der Arbeit. Angesichts der betrieblichen Eingliederung und des Fehlens eines Unternehmerrisikos sei eine persönliche Abhängigkeit anzunehmen.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 3) sei nicht in den Betrieb eingegliedert. Das Arbeitsverhältnis sei durch einen Werkvertrag geregelt; denn die betreffende Person garantiere die Inszenierung oder Ausstattung einer bestimmten Oper.
Der Widerspruchsbescheid vom 30. September 1975 führte noch aus, der Beigeladene zu 3) habe in der Zeit seiner Beschäftigung bei der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und nach § 168 Abs. 1 AFG der Beitragspflicht der Bundesanstalt für Arbeit unterlegen. Denn bei Erfüllung der übernommenen Aufgaben sei er in den Betrieb eingegliedert gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe er nicht zu tragen gehabt.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klägerin unter Hinweis auf den Gastregievertrag vom 19. September 1969 vorgetragen, der Regisseur, der das Bühnenwerk hauptsächlich zur eigenen künstlerischen Entfaltung benutze, könne nur weisungsunabhängig sein. Die Bindung und das Sicheinfügen des Regisseurs in die Gesamtarbeitsgemeinschaft habe einen anderen Sinn, als den, persönliche Abhängigkeit zu bekunden. Er bezwecke vielmehr die für die Herbeiführung eines Werkes, zu dem mehrere Personen benötigt würden, notwendige Grundlage zu schaffen. Die Ein- und Unterordnung unter dem Zwang des sachlichen Tätigkeitsablaufes könne einzig und allein die erfolgreiche Theateraufführung sicherstellen. Der Regisseur werde nicht nach Dauer seiner Tätigkeit, sondern nach dem Arbeitserfolg bezahlt und trage das Risiko der Erfolglosigkeit seiner Tätigkeit. Weiterhin entfalle der Vergütungsanspruch, wenn er wegen einer Krankheit oder aus einem anderen in seiner Person liegenden Grunde an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert sei.
Das Sozialgericht hat mit Beiladungsbeschluß vom 25. November 1975 die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Bundesanstalt für Arbeit und den Regisseur B. B. zum Verfahren bei...