Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Lohnersatzleistung. Erziehungsgeld
Orientierungssatz
Übernimmt das Erziehungsgeld eine Lohnersatzfunktion, so ist bei der Vergleichsberechnung nach § 113 Abs 2 AFG nicht die Höhe des Erziehungsgeldes zugrunde zu legen, sondern das vom Ehegatten vor dem Bezug des Erziehungsgeldes erhaltene Arbeitseinkommen (vgl BSG vom 29.4.1992 - 7 RAr 12/91 = SozR 3-4100 § 113 Nr 1).
Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 07.11.1995; Aktenzeichen S-5/Ar-38/95) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 7. November 1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld ab 25. April 1994 und insbesondere darüber, ob dem Kläger Arbeitslosengeld ab dieser Zeit nach der Leistungsgruppe C zu zahlen ist.
Der Kläger meldete sich im Dezember 1993 zum 1. Januar 1994 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In seiner Lohnsteuerkarte 1994 war zum 1. Januar 1994 die Steuerklasse IV und ab 1. Februar 1994 die Steuerklasse III eingetragen. Die Ehefrau des Klägers stand bis zum 17. Dezember 1993 in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mit einem Bruttolohn in Höhe von 4.698,45 DM. Sie befand sich ab dem 18. Dezember 1993 im Erziehungsurlaub und bezog Erziehungsgeld.
Der Kläger bezog vom 1. Januar bis zum 31. Januar 1994 Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A i.H.v. 340,80 DM wöchentlich (Bescheid vom 14. Januar 1994) und vom 1. Februar bis zum 4. April 1994 nach der Leistungsgruppe C i.H.v. 379,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 8. Februar 1994 und Bescheid vom 5. Mai 1994). Dem Leistungsanspruch des Klägers lag ein Bemessungsentgelt in Höhe von 810,00 DM wöchentlich zugrunde.
Der Kläger nahm am 5. April 1994 eine Arbeit auf, meldete sich bereits am 6. April 1994 erneut arbeitslos und beantragte die Weitergewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Juni 1994 Arbeitslosengeld vorläufig ab 30. Juni 1994 (Sperrzeit vom 7. April bis 29. Juni 1994) vorläufig nach der Leistungsgruppe D und mit Änderungsbescheid vom 12. Juli 1994 nach der Leistungsgruppe A i.H.v. 340,80 DM wöchentlich. Der Kläger erhob gegen beide Bescheide Widerspruch und führte dazu aus, die Ehefrau beziehe seit Herbst 1993 Erziehungsgeld in Höhe von 600,00 DM. Diese Leistung sei einkommensunabhängig. Seine Ehefrau habe im Zeitpunkt der Änderung der Lohnsteuerklassen kein eigenes Einkommen bezogen. Die Änderung sei demgemäß zweckmäßig gewesen. Das Erziehungsgeld stelle eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung dar und könne ihrem früheren Arbeitseinkommen nicht gegenübergestellt werden. Ab Februar 1994 (Abänderung der Lohnsteuerklasse) habe er Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe C. Das Bundessozialgericht habe zwar entschieden, dass das Erziehungsgeld jedenfalls dann als eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung im Sinne von § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG anzusehen sei, wenn ein vorher erzieltes Arbeitsentgelt tatsächlich entfallen sei. Dieser Auffassung könne er sich nicht anschließen. Durch das Erziehungsgeld würden tatsächliche Einkommenseinbußen weder konkret ausgeglichen noch der tatsächliche Betreuungsaufwand entschädigt. Insoweit unterscheide sich das Erziehungsgeld von anderen typischen Lohnersatzleistungen wie das Krankengeld, das Verletztengeld oder das Arbeitslosengeld. Das Erziehungsgeld werde für die Betreuung und Erziehung eines Kindes und nicht wegen des Ausfalls von Arbeitsentgelt gewährt. Die Höhe des Erziehungsgeldes orientiere sich auch nicht an der Höhe des ausfallenden Entgeltes und werde einkommensunabhängig in den ersten sechs Monaten gezahlt. Gerade dies spreche gegen den Charakter einer Lohnersatzleistung. § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG gehe nach seinem Wortlaut eindeutig von einem Anspruch wegen Lohnausfall aus. Dies treffe beim Bezug von Erziehungsgeld eindeutig nicht zu. Wenn es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, auch das Erziehungsgeld in die Bestimmung des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG mit einzubeziehen, so hätte er spätestens bei Erlass des Bundeserziehungsgeldgesetzes die Vorschrift des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG grundlegend ändern müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Eine Analogie scheide vorliegend aus, da keine Gesetzeslücke zu schließen sei.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 1994 für die Zeit vom 25. April bis zum 29. Juni 1994 Arbeitslosengeld i.H.v. 340,80 DM nach der Leistungsgruppe A und einem wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 810,00 DM.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1994 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12. Juli 1994 als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 AFG sei für den Anspruch des Klägers auf Arbeits...