Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Kausalität bei der Gewährung von Berufsschadensausgleich
Orientierungssatz
1. Im Berufsschadensrecht ist der Kausalitätsbeurteilung die Theorie der wesentlich mitwirkenden Bedingung zugrunde zu legen. Für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich genügt es, wenn die Schädigungsfolgen allein oder aber im Vergleich mit Nichtschädigungsleiden und anderen schädigungsunabhängigen Umständen etwa gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben.
2. Kommt den schädigungsunabhängigen Faktoren so viel Gewicht zu, dass beim Fehlen von Brückensymptomen die Schädigungsfolgen nur eine untergeordnete Rolle spielen, so ist ein Berufsschadensausgleich nicht zu gewähren.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Berufschadensausgleich (BSchA).
Der 1938 geborene Kläger verlor im Mai 1945 auf der Flucht vor sowjetischen Truppen wegen eines Unfalls und nachfolgender Amputation seinen linken Unterarm. Der Beklagte erkannte zuletzt mit bindendem Bescheid vom 23. März 1984 einen "Verlust des linken Unterarms, Stumpflänge fünf Zentimeter, Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks" an und stellte fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers hierdurch um 60 v.H. gemindert sei.
Der Kläger hatte folgenden beruflichen Werdegang: Er schloss im März 1956 die Realschule mit der mittleren Reife ab. Ab Mai 1956 war er als Praktikant in einer Wäscherei tätig, durchlief von Juli 1957 bis Oktober 1957 eine Ausbildung zum Wäschereikaufmann, die er nicht beendete, und arbeitete anschließend kurzfristig als Aushilfe in der elterlichen Wäscherei. Vom 1. April 1958 bis 31. März 1961 absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann, die er erfolgreich abschloss, und war danach wiederum in der elterlichen Wäscherei tätig. 1965 legte er die Prüfung zum Textilpflegemeister ab und war anschließend sowohl im elterlichen Betrieb als auch zur Aushilfe bei seinem Bruder beschäftigt. Im Mai 1969 nahm er eine Stelle als Betriebsassistent an. Ab 1970 besuchte er das L. Kolleg, um dort die Reifeprüfung nachzuholen, mit dem Ziel, Gewerbelehrer zu werden. Diese Ausbildung beendete er wegen des Todes der Eltern vorzeitig. Zwischen 1972 und 1977 arbeitete der Kläger als Textilpflegemeister und Industriekaufmann. Nach kurzer Zeit als Aushilfe im Betrieb des Bruders meldete er sich im Februar 1977 arbeitslos. Während des Leistungsbezugs beim Arbeitsamt absolvierte er einen Lehrgang zum Erwerb betriebswirtschaftlichen Grundwissens (Oktober 1977 bis Juni 1978). 1980 absolvierte er einen Lehrgang zum Speditionskaufmann, den er mit einer Prüfung abschloss. Danach übte er nach eigenen Angaben bis Februar 1984 eine Tätigkeit bei der Firma TF als Speditionskaufmann aus. Von März bis Oktober 1984 war er nochmals als Wasch- und Plättmeister tätig. Von Oktober 1984 an bis zum Beginn des Rentenbezugs war der Kläger arbeitslos. Von Januar 1989 bis Januar 1990 arbeitete er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Universitätsbibliothek A-Stadt. Mit Bescheid vom 5. August 1991 bewilligte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) rückwirkend ab 1. Juni 1990 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit der Begründung, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwar noch halb- bis untervollschichtig Erwerbstätigkeiten verrichten, der Teilzeitarbeitsmarkt sei jedoch verschlossen. Die Zeitrente wurde durch Bescheid vom 23. September 1994 verlängert und ab 1. April 1997 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer umgewandelt.
Zwei Anträge des Klägers auf Gewährung von BeschA waren erfolglos (Bescheid vom 16. Juni 1986 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988, bestätigte Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main - SG - vom 8. August 1992, sowie Bescheid vom 9. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 1996). Die Ablehnung von BSchA wurde im Wesentlichen damit begründet, dass selbst unter der Annahme, dass der Kläger die Ausbildung zum Wäschereikaufmann aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen habe, die Ausbildungsberufe zum Industrie- und Speditionskaufmann zumindest gleichwertig seien. Die Aufgabe des erlernten Berufs und das Nichterreichen des angestrebten Berufziels - Nachholung des Abiturs auf den zweiten Bildungsweg und Studium für den Beruf des Gewerbelehrers - stünden in keinem Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen. Ebenso wenig stünden die Arbeitslosigkeit trotz der abgeschlossenen Ausbildungen als Industriekaufmann, Textilpflegemeister und später Speditionskaufmann oder die Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit mit den Schädigungsfolgen in Zusammenhang, sondern seien auf die Arbeitsmarktsituation zurückzuführen.
Am 5. Januar 1998 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von BSchA und Überprüfung der bisherigen Entscheidungen, wobei er sich darauf stützte, dass er nunmehr eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. März 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1999 ab. Dies begründete er in Ergänzun...