Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung bei selbstständiger Arbeit. Betriebseinnahmen. vereinnahmte Umsatzsteuer
Orientierungssatz
1. Bei der Berechnung des Einkommens aus Gewerbebetrieb gemäß §§ 11 ff SGB 2 iVm § 3 AlgIIV 2008 sind grundsätzlich auch die Einnahmen zu berücksichtigen, die in den im Bewilligungszeitraum erstellten Rechnungen als Umsatzsteuer ausgewiesen und vereinnahmt worden sind.
2. Die vorgenommene Rückstellung in Höhe der Umsatzsteuer kann nicht als notwendige Betriebsausgabe berücksichtigt werden, wenn die Umsatzsteuer erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums fällig wird.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. November 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis zum 31. August 2013. Im Berufungsverfahren streiten die Beteiligten nur noch über die Frage, ob im Bewilligungszeitraum vereinnahmte Umsatzsteuer, die nach Ablauf des Bewilligungszeitraums an das Finanzamt abgeführt wurde, als Einkommen im Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen ist.
Die 1952 geborene Klägerin stand bei der Beklagten seit Februar 2009 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). In dem vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum (März bis August 2013) war sie als selbständige Immobilienmaklerin tätig.
Mit Folgeantrag vom 15. Januar 2013 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Nach Auswertung der von ihr vorgelegten Unterlagen bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 2013 für die Zeit von März bis August 2013 vorläufig Leistungen in Höhe von 572,00 Euro monatlich unter Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 400,00 Euro. Mit E-Mail und telefonisch teilte die Klägerin am 29. April 2013 mit, dass sie an der bisherigen Prognose ihres Einkommens nicht festhalte. Sie bat nunmehr um Berücksichtigung von Einkommen in Höhe von 150,00 Euro monatlich für die Zeit von März bis August 2013; im März und April 2013 habe sie keinen Umsatz erzielt. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 29. April 2013 für die Zeit von März bis August 2013 Leistungen in Höhe von 772,00 Euro unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens von 150,00 Euro. Für die Monate März bis Mai 2013 erfolgte am 29. April 2013 eine Nachzahlung in Höhe von 600,00 Euro auf das Konto der Klägerin.
Mit Schreiben vom 10. September 2013 teilte die Klägerin der Beklagten ihr tatsächliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mit. Dabei gab sie für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2013 einen Verlust in Höhe von 2.351,00 Euro an. Unter der tabellarischen Datenerfassung war in kleiner Schrift vermerkt, dass Verhandlungen über die Vermarktung von Neubauwohnungen am Laufen seien, endgültige Angaben nach Erteilung der Baugenehmigung ca. Ende September 2013 erfolgen würden. Der von ihr geltend gemachte Verlust setzte sich wie folgt zusammen:
Betriebliche Kfz-Steuern, Versicherungen, laufende Betriebskosten 234,00 Euro
Werbung und Repräsentationskosten 1.650,00 Euro
Investitionen 240,00 Euro, Büromaterial 10,00 Euro, Telefon 217,00 Euro
Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 17. September 2013 die Leistungen für die Zeit von März bis August 2013 endgültig auf 812,00 Euro monatlich ohne Anrechnung von Einkommen fest. Außerdem erhöhte sie die Beiträge für die private Kranken- und Pflegeversicherung auf 345,52 Euro (hälftiger Basistarif). Mit weiterem Bescheid vom 17. September 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 vorläufig Leistungen in Höhe von 772,00 Euro monatlich unter Berücksichtigung eines Einkommens von 150,00 Euro.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Auskünfte und Unterlagen zur Überprüfung ihrer Vermögensverhältnisse einzureichen. Die Klägerin legte daraufhin mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. bis 30. August 2013 vor. Daraus ging hervor, dass sie am 8. August 2013 eine Provisionszahlung in Höhe von 8.032,50 Euro aus ihrer Maklertätigkeit erhalten hatte. Ferner fügte die Klägerin dem Vermögensfragebogen eine neue Einnahmen-Überschuss-Rechnung für die Zeit von März bis Oktober 2013 bei, auf der sie in kleiner Schrift angegeben hatte, die Zahlung im August sei unter Vorbehalt bis zum 31. Oktober 2013 gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 7. April 2014 hob die Beklagte den Bescheid vom 17. September 2013 nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise au...