Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. bisegmentale bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. haftungsbegründende Kausalität. Konsensempfehlungen: Befundkonstellation B2. Befall von "mehreren" Bandscheiben: mindestens zwei Bandscheiben

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anerkennung einer bisegmentalen bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach den Konsensempfehlungen zur Berufskrankheit Nr 2108 der Anlage 1 der BKV. Soweit die Befundkonstellation B2, 1. Spiegelstrich 1. Zusatzkriterium - 1. Alt einen Befall von "mehreren" Bandscheiben voraussetzt, sind damit nur mindestens zwei Bandscheiben gemeint.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1958 geborene Kläger ist ausgebildeter Maler und Lackierer und war von August 1975 bis Oktober 2005 in diesem Beruf, zumeist als Verputzer, tätig. Am 11. Juli 2006 meldete er erstmals telefonisch bei der Beklagten eine BK an. Nachdem er auf Nachfragen der Beklagten u. a. zu seiner Erkrankung, den ihn behandelnden Ärzten und seinen beruflichen Tätigkeiten nicht reagiert hatte, stellte die Beklagte das Feststellungsverfahren mangels Mitwirkung mit Bescheid vom 8. September 2006 ein.

Am 5. Februar 2009 meldete der Kläger sich neuerlich telefonisch bei der Beklagten und bat darum, das BK-Verfahren wiederaufzunehmen. In dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren gab der Kläger an, erstmals Beschwerden an der Lendenwirbelsäule (LWS) im Jahr 1996 gehabt zu haben. Dazu legte er diverse seine Wirbelsäulenerkrankung betreffende medizinische Unterlagen aus den Jahren 1996 bis 2006 vor. Nach Auswertung dieser zog die Beklagte zunächst die bildgebenden Befunde der behandelnden Ärzte des Klägers bei. Die gesamte medizinische Dokumentation legte sie sodann ihrem beratenden Arzt Dr. C. zur Stellungnahme vor. Unter dem 4. Mai 2009 führte der Arzt dazu aus, dass der Kläger seit über 13 Jahren an Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenbereich mit Schwerpunkt LWS und fast ständiger Behandlungsbedürftigkeit leide. Im Dezember 2003 und April 2006 seien Operationen an der Bandscheibe L5/S1 erfolgt. Röntgenbilder der LWS lägen nicht vor. In einer Röntgenbefundbeschreibung der LWS vom 12. November 1996 erwähne jedoch der behandelnde Arzt Dr. D. aus D-Stadt keine signifikanten degenerativen Veränderungen. Auch ein Röntgenbefund vom 20. Juli 1998 der LWS bezeichne keine besonderen Auffälligkeiten. In der aktuellen MRT vom 26. November 2005 (Medizinisches Versorgungszentrum Marburg) finde sich u. a. die Feststellung einer regelrechten Form und Stellung der Lendenwirbelkörper (LWK) zueinander. Zusammenfassend bemerkte Dr. C. zum aktuellen Zeitpunkt ungeachtet der fraglichen notwendigen beruflichen Belastungsdosis der LWS kein typisches mehrsegmentales bandscheibenbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK Nr. 2108 erkennen zu können.

Hierauf gestützt stellte die Beklagte ohne weitere Ermittlungen mit Bescheid vom 26. Mai 2009 fest, dass eine BK nicht vorliege. Es lasse sich nach Auswertung der medizinischen Befunde kein bandscheibenbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK nachweisen.

In seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, seinen Beruf aufgrund seiner gesundheitlichen Situation, die durch seine langjährige Tätigkeit im Baugewerbe entstanden sei, nicht mehr ausüben zu können.

Daraufhin zog die Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. E. vom 20. August 2009 bei. Entgegen den Feststellungen von Dr. C. befundete Dr. E. ein eindeutig bandscheibenbedingtes und chronisch rezidivierendes Krankheitsbild, das er nach den Konsensempfehlungen der Konstellation B4 zuordnete. Weder die flache Skoliose noch die kleine Deckplatteneindellung im LWK 2 seien als konkurrierende Faktoren anzusehen. Da sich aus der Akte keine Hinweise auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen ergäben, empfahl der Sachverständige den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) einzuschalten.

Seine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition legte der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 26./30. November 2009 vor. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten sind danach im Falle des Klägers von August 1975 bis September 2005 zu berücksichtigen. Als Wirbelsäulenbelastungsgesamtdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodes (MDD) errechnete der Präventionsdienst 36,5 Meganewtonstunden (MNh).

In einer weiteren von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme unter Berücksichtigung der Feststellungen des Präventionsdienstes führte der Arzt für Arbeitsmedizin F. am 14. Januar 2010 aus, dass bei dem Kläger im Bereich der LWS bei L4/L5...

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