Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. haftungsbegründende Kausalität. Infektionskrankheit. erhöhtes Infektionsrisiko. Hepatitis-B-Erkrankung. Indienaufenthalt. Messebauleiter
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer erstmals 1977 diagnostizierten Hepatitis-B-Erkrankung eines Versicherten, der sich 1961 berufsbedingt als Messebauleiter für einen Monat in Indien aufgehalten hatte, als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 3101 mangels Nachweises, dass der Versicherte während dieser Zeit konkret einer über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt war.
2. BKVO Anl 1 Nr 3101 Alt 4 beinhaltet keinen Auffangtatbestand für jene Fälle, die nicht unter die ersten drei Alternativen einzuordnen sind. Die Gefährdungstatbestände stehen vielmehr in einem von der sozialen Schutzwürdigkeit bestimmten Zusammenhang, so dass auch hier eine der versicherten Tätigkeit innewohnende besondere Infektionsgefährdung vorhanden sein muss.
3. Maßgebend für die Anerkennung einer Erkrankung gem BKVO Anl 1 Nr 3101 Alt 4 ist vielmehr, dass der Versicherte im Einzelfall durch eine gleich wie geartete versicherte Tätigkeit unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten, bekanntermaßen mit Infektionsgefahren verbundenen Unternehmen der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war wie die im Gesundheitsdienst Tätigen, die bei ihrer Arbeit erfahrungsgemäß in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet sind. Das bloße Vorhandensein einer Gefährdung reicht anders als bei den Alternativen 1 bis 3 nicht aus und die zufällige Ansteckung durch einen erkrankten Mitarbeiter ist nicht geschützt.
4. Die erhöhte Ansteckungsgefahr kann auch in den klimatischen, hygienischen sozialen und sonstigen Verhältnissen des Tätigkeitsorts begründet sein, an dem der Versicherte arbeiten und seine Freizeit verbringen muss. Aber auch dabei muss das Risiko einer Infektion im Ausland höher sein wie dasjenige der Gesamtbevölkerung in der BRD und ebenso hoch wie das des Pflegepersonals in Deutschen Krankenhäusern. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Gefährdung im Beruf und Auftreten der ersten Symptome bzw Diagnosestellung muss gewahrt sein. Die Beachtung der jeweiligen Inkubationszeit ist von Bedeutung. Der bei der Feststellung der Infektionserkrankung erhobene Befund muss für eine Neuansteckung während der Berufstätigkeit sprechen.
Tatbestand
Der 1927 geborene und am 2. April 1980 verstorbene E (S) war Ehemann bzw. Vater der Kläger und nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Beklagten vom 1. Dezember 1979 seit 1954 als kaufmännischer Angestellter bei der Firma ... in F beschäftigt. Er leitete dort die Gruppe Messen und Ausstellungen. In dieser Funktion hielt er sich vom 19. Oktober bis 16. November 1961 in New Delhi (Indien) als Leiter einer Messebaugruppe auf. Eine 1977 erstmals ärztlich diagnostizierte Virus-Hepatitis Typ B führte er auf den damaligen Aufenthalt zurück. Die Kläger streiten nunmehr um die Gewährung von Witwen- bzw. Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen eines Neuprüfungsverfahrens.
Der Internist Dr. G erstattete die ärztliche Berufskrankheiten(BK)-Anzeige am 19. Oktober 1979. S berichtete am 1. Dezember 1979 über seine Tätigkeit bei der Firma ... G, seinen Indienaufenthalt im Jahre 1961, die Erkrankung seines Mitarbeiters ... in Form einer Schwellung im Oberbauch und gab an, nach seiner Rückkehr aus Indien habe ihn seine Beschwerdefreiheit nicht zum Arzt gehen lassen, zumal ein weiterer Auslandsaufenthalt bevorgestanden habe. Prof. E äußerte mit Stellungnahme vom 8. Januar 1980, die Lebererkrankung des S habe schon Jahre vor dem eindeutigen Nachweis der chronisch aggressiven Hepatitis bestanden, den sie 1977 geführt hätten. Anamnestisch sei allein die Angabe des S bekannt geworden, er habe 1961 bei einem Aufenthalt in Indien engen Kontakt mit Kollegen gehabt, die an Hepatitis erkrankt seien. Daher erscheine es durchaus wahrscheinlich, dass S sich zum damaligen Zeitpunkt mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert und dass er danach eine anikterische Form der Virushepatitis durchgemacht habe, die dann in eine chronische Verlaufsform übergegangen sei. Dass er sich in den folgenden Jahren bis 1978 körperlich durchaus wohl gefühlt habe, widerspreche einer solchen Annahme nicht, solche Verläufe seien nicht selten. Erst 1979 sei seine Leistungsfähigkeit deutlich geringer geworden. Mit Bescheid vom 25. August 1980 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen gegenüber der Klägerin ab mit der Begründung, die Virushepatitis stelle keine Tropenkrankheit dar und S habe nicht zum geschützten Personenkreis der Nr. 37 der Anlage zur 6. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) gehört, die für seine 1961 erworbene Infektionskrankheit gültig sei.
Auf den Widerspruch vom 5. September 1980 hin holte die Beklagte eine Auskunft des ... vom 23. November 1980 ein, der angab, bei ihm sei 1961 in Indien eine Leberschwellung ärztlich festgestellt worden sowie eine Le...