Rechtskräftig.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Innere Ursache. Wesentlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Begriff des äußeren Ereignisses verlangt einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang gleich welcher Stärke.

2. Dagegen sind Erscheinungen aufgrund rein innerer Vorgänge als so genannte innere Ursachen aus dem Unfallbegriff auszuscheiden. Eine solche innere Ursache liegt vor, wenn eine allein oder wesentlich auf dem Gesundheitszustand des Verletzten beruhende krankhafte Erscheinung auftritt.

3. Eine Einwirkung von außen ist auch dann gegeben, wenn sich ihr Ausgangspunkt im Körperinneren befindet, sie aber von der versicherten Tätigkeit wesentlich mit verursacht worden ist.

4. Ein Unfall im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1 RVO liegt vor, wenn die durch das (versuchte) Anheben eines Kissensteins ausgelösten Einwirkungen auf den Körper des Klägers den eingetretenen Gesundheitsschaden, nämlich die Subarachnoidalblutungen, rechtlich wesentlich mitverursacht haben.

5. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen (in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht) gemeinsam zum Entstehen der Erkrankung beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit-)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben.

6. Im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung ist jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Dementsprechend darf eine Schadensanlage als allein wesentliche Ursache nur dann gewertet werden, wenn sie so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der Versichertentätigkeit bedurft hat, sondern der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 15.01.2001; Aktenzeichen S 13 U 304/00)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen B 2 U 27/04 R)

 

Tenor

  • Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 2001 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juli 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2000 verurteilt, das Ereignis vom 27. Januar 1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
  • Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
  • Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung eines Ereignisses vom 27. Januar 1995 als Arbeitsunfall im Streit. Der 1940 geborene Kläger ist von Beruf Steinmetz. Am 27. Januar 1995 war der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit dem Abräumen einer Grabstätte beschäftigt. Dabei versuchte er, einen etwa 70 kg schweren und für ihn nicht ersichtlich aber unstreitig am Boden festgefrorenen sog. Kissenstein hochzuheben. Während der im Rahmen dieses – erfolglos gebliebenen – Versuchs entwickelten erheblichen Kraftanstrengung verspürte der Kläger plötzlich einen stechenden Kopfschmerz. Der Kläger wurde sofort mit dem Krankenwagen in eine neurochirurgische Klinik transportiert. Dort wurde mittels eines Schädels-CT's eine stattgehabte massive Sub-arachnoidalblutung festgestellt. Angiografisch ließ sich kein Nachweis einer Gefäßmissbildung bzw. einer Aneurysma erbringen. Nach dem Ereignis litt der Kläger unter arterieller Hypertonie; eine solche bestand nach einer Bescheinigung des Internisten K… vom 27. Dezember 1995 in den vorangegangenen 10 Jahren nicht. In der Folgezeit trat als Komplikation ein Hydrocephalus malresorptivus auf, der mittels eines Shunts behandelt werden musste. Der Neurologe und Psychiater A… vertrat in seinem neurologisch-psychiatrischen Kurzgutachten vom 29. Januar 1996 die Auffassung, dass hoher Blutdruck während der anstrengenden Arbeitstätigkeit zu einer Ruptur einer Hirnarterie geführt habe und damit ein Zusammenhang zwischen der Subarachnoidalblutung mit der beruflichen Tätigkeit wahrscheinlich sei.

Dr. F… führt in seinem auf Veranlassung der Beklagten unter dem 8. August 1997 erstatteten neurologisch-psychiatrischen Gutachten aus, dass im Hinblick auf den fehlenden Nachweis einer Gefäß-Vorerkrankung mehr dafür als dagegen spreche, dass die in Rede stehende berufliche Tätigkeit mit massiver Steigerung des intracraniellen Drucks eine wesentliche mitwirkende Teilursache für die Subarachnoidalblutung darstelle.

Unter dem 25. April 1999 erstattete Prof. L… unter Einbeziehung eines neuroradiologischen Fachgutachtens des Prof. Z… vom 27. Juni 1998 ein ne...

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