Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheiten gem BKV Anl 1 Nr 1103, 4109. arbeitstechnische Voraussetzung. Expositionshöhe. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Konkurrenzursache. Rauchen. Verdoppelungsdosis bei der Beweiswürdigung. Nickel, Chrom, Schweißrauch. Bronchialkarzinom. Schlosser
Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Vorhandensein der in den BK'n 1103 und 4109 genannten Listenstoffen Chrom bzw Nickel am Arbeitsplatz liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, so lange nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein Erfahrungssatz existiert, demzufolge erst ab Erreichen einer bestimmten Mindestdosis von einer Gefährdung ausgegangen werden kann.
2. Die Höhe der Exposition alleine kann allenfalls dann für die Anerkennung einer BK genügen, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestünden. Als solche kommt starkes privates Rauchen (hier ca 29 Packungsjahre) in Betracht.
3. Dem Gericht ist es verwehrt, die Unsicherheit der Verursachungsanteile im Wege eines unterstellten jeweils hälftigen Anteils zu schließen, weil aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung nicht automatisch auf die berufliche Verursachung einer Erkrankung geschlossen werden kann.
4. Zur Bedeutung der Verdoppelungsdosis bei der Beweiswürdigung.
Normenkette
SGB VII § 9 Abs. 1-2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2; Anl 1 BKV Nr. 1103; Anl 1 BKV 4109; Anl 1 BKV 2402
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen wegen des am xx. xxx 1999 an einer Bronchialkrebserkrankung verstorbenen Ehemannes der Klägerin, D. A. Hierbei geht es im Kern darum, ob der Tod durch eine bei der Beklagten versicherte Berufskrankheit (BK) verursacht wurde.
Der 1939 geborene Ehemann der Klägerin, der Versicherte, war von Juni 1966 bis zur Schließung des Unternehmens im November 1996 als Schlosser bei der Firma E. in A-Stadt beschäftigt, die Schlosser- und Schmiedearbeiten für das Baunebengewerbe ausführte und dabei kleinere Stahlkonstruktionen herstellte. Nach Angaben des Unternehmers E. E. vom 14. März 2001 gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten verrichtete der Versicherte in etwa 30 % der Arbeitszeit Schweißerarbeiten. Bis Ende der 70er Jahre wurden nach Angaben des Unternehmers E. meist unlegierte Baustähle überwiegend im Lichtbogenhandverfahren (LBH) mit Elektrode geschweißt, seit Anfang der 80er Jahre überwiegend im Schutzgasschweißverfahren (Metallaktivgasverfahren - MAG). Edelstahl wurde ab Anfang der 80er Jahre verschweißt, dies allerdings nur gelegentlich in maximal 5 % bzw. 10 % (so Angabe des Arbeitskollegen Q.) der Tätigkeit. Für LBH-Schweißarbeiten an Edelstahl kamen nach TAD-Recherchen basische Elektroden mit einem Durchmesser von 2,5 mm beim Heften bzw. 3,25 mm beim Lagenschweißen zum Einsatz. Edelstahl wurde überwiegend im LBH-Verfahren mit Elektrode, in geringem Umfang im MAG-Verfahren eventuell auch im WIG-Verfahren (WIG = Wolfram-Inertgas-Verfahren) verschweißt. Nach ergänzenden Ermittlungen des TAD ist ab Mitte der 80er Jahre das Schutzgasschweißverfahren (MAG oder WIG) vermehrt eingesetzt worden, das nach und nach an die Stelle des LBH-Verfahrens trat, wobei thoriumhaltige Schweißelektroden beim WIG-Schweißen verwandt wurden, die angeschliffen wurden. In geringem Umfang wurde auch öliges Material verschweißt, wobei dasselbe normalerweise zunächst entfettet und dann geschweißt wurde. Der Versicherte führte auch Schweißarbeiten an verzinkten Teilen aus, wobei er Zinkrauchen ausgesetzt war. Hinzu kamen Schleifarbeiten, Fräsarbeiten, Lackierarbeiten mit Pinsel und Rolle sowie mit der Spritzpistole, u. a. mit Zinkchromatgrund- und Teerfarbe. Für die Dauer von vier Wochen hatte er Umgang mit Asbestzementplatten. Asbestkontakt bestand auch bei der Montage zugeschnittener Eternitplatten als Balkonverkleidung, die vor der Montage angebohrt und selten nachgeschnitten wurden. Bei der ca. 3 Monate andauernden Montage astbesthaltiger Brandschutzplatten am Klinikum Marburg war der Versicherte aushilfsweise tätig. Von 1966 bis 1978 arbeitete die Firma E. in einer alten Halle und nach ihrem Umzug ab 1979 in einer neuen Halle, wobei in der alten Halle keine technische Lüftung vorhanden war. In der neuen Halle war ab 1990 eine Schweißrauchabsaugung installiert. Wegen weiterer Einzelheiten der Arbeitsumstände des Versicherten wird auf die TAD-Berichte vom 25. Oktober 1991, vom 22. Juni 2001 und 27. Februar 2007 Bezug genommen. Nach seinem Ausscheiden aus der Firma E. im November 1996 war der Versicherte nicht mehr berufstätig.
Am 17. Mai 1995 hatte der Versicherte einen Arbeitsunfall erlitten, als er beim Abbrennen feuerverzinkter Teile austretende Dämpfe einatmete. Die Beklagte hatte zur Feststell...