Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 2 SGB 2. Wehrsold aus einer Reservistendienstleistung nach freiwilliger schriftlicher Verpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung zum Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 2 SGB II ist auf den Wehrsold aus einer Reservistendienstleistung nach § 61 Soldatengesetz (juris: SG), zu der der Reservist nur aufgrund einer freiwilligen schriftlichen Verpflichtung herangezogen werden kann, anwendbar.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Juni 2015 geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2013 wird dahingehend abgeändert, dass dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Juni 2013 ein Leistungsanspruch in Höhe von 767,76 € zusteht und dass von ihm lediglich ein Überzahlungsbetrag in Höhe von 43,69 € zu erstatten ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Juni 2013 und insbesondere darum, ob ihm für in diesem Monat bezogenen Wehrsold aus zwei Reservistenübungen der Bundeswehr der Einkommensfreibetrag für Erwerbstätige zusteht.
Der 1975 geborene Kläger war früher Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Majors. Er steht seit Längerem im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. In den Zeiträumen 24. bis. 27. April 2013 und 21. Mai bis 24. Mai 2013 nahm er an zwei Reservistenübungen der Bundeswehr teil.
Gemäß den vom Kläger vorgelegten Wehrsoldabrechnungen standen ihm aus den beiden Wehrübungen jeweils 63,20 € Wehrsold nach der Wehrsoldgruppe 10 zu. Außerdem für die Übung im April 2013 (Abrechnung vom Mai 2013, VA Blatt 939):
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Leistungszuschlag: |
115,03 € |
Einstellungs-/Entlassungsreise |
1,24 € |
Reisebeihilfe |
3,72 €. |
Für die Übung im Mai 2013 (Abrechnung vom Juni 2013, VA Blatt 940) standen dem Kläger neben dem Wehrsold zu:
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Einst.Reisen WSE |
0,86 € |
Leistungszuschlag |
102,24 € |
Verpflegungsgeld |
2,93 € |
Im Juni 2013 gingen verschiedene Zahlungen der Bundeskasse Trier auf dem Konto des Klägers ein, nämlich am 5. Juni 2013 eine Zahlung in Höhe von 63,20 €, am 6. Juni 2013 eine Zahlung in Höhe von 102,24, am 12. Juni 2013 eine Zahlung in Höhe von 116,27 € und am 13. Juni 2013 Zahlungen in Höhe von 2,93 € und in Höhe von 63,20 € (VA [Verwaltungsakte] Blatt 945).
Mit Bescheid vom 9. April 2013 wurden dem Kläger von dem Beklagten für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. August 2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II bewilligt, für die Monate April und Mai 2013 in Höhe von 667,33 € und für die Monate Juni bis August 2013 in Höhe von 814,55 € (VA Blatt 933). Der Kläger rügte, dass ihm in den Monaten April und Mai 2013 Wehrsold angerechnet worden sei, den er nicht erhalten habe. Auf den Widerspruch des Klägers vom 6. Mai 2013 (VA Blatt 941) erließ der Beklagte am 6. Juli 2013 einen Änderungsbescheid für die Monate April und Mai 2013 und rechnete für diese Monate keinen Wehrsold mehr an und wies einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von zwei mal 63,20 € an. (VA Blatt 947)
Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 setzte der Beklagte die dem Kläger zustehende Leistungen für Juni 2013 endgültig fest und verlangte einen Betrag in Höhe von 77,25 € erstattet (VA Blatt 950). In dem Bescheid wurde dem Kläger im Juni zugeflossenes Einkommen aus einem Wehrsold für den Zeitraum 24. April bis 27. April 2013 in Höhe von 63,20 € und einem Wehrsold für den Zeitraum 21. Mai bis 24. Mai 2013 in Höhe von 63,20 € und aus Verpflegungsgeld in Höhe von 2,93 € als Einkommen in die Leistungsberechnung eingestellt. Lediglich die Kfz-Versicherung in Höhe von 22,08 € sowie eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € wurden einkommensmindernd in Abzug gebracht. Hiernach verblieb dem Kläger ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 77,25 €.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 15. August 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2013 als unbegründet zurück [VA Blatt 985]. Da es sich bei der Ableistung des freiwilligen Reservistendienstes nicht um eine Erwerbstätigkeit handele, seien außer den Pauschbeträgen nach § 6 Alg II-V keine weiteren Freibeträge abzusetzen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. Juni 2015 als zulässig, aber unbegründet abgewiesen und die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die endgültige Festsetzung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II mit Bescheid vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 sei nicht zu beanstanden. Der dem Kläger zugeflossene Wehrsold und das gezahlte Verpflegungsgeld in Höhe von gesamt 129,...