Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.04.1990; Aktenzeichen S-8/U-317/88)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 1990 und der Bescheid der Beklagten vom 15. November 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1987 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, welche Berufsgenossenschaft der zuständige Versicherungsträger ist für einen Ausbildungsbetrieb des Gartenbaus, den der Kläger in Tübingen betreibt.

Der Kläger, eingetragener Verein und als solcher als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt, ist ein freier Träger der Jugendhilfe und Sozialarbeit. Er ist angeschlossener Verband des Deutschen-Roten-Kreuzes. Der Sitz des Verbandes ist Frankfurt am Main. Zweck des Verbandes ist es, Menschen in den Stand zu setzen, sich in die Gesellschaft einzugliedern, persönliche Verantwortung zu übernehmen und die gesellschaftliche Entwicklung tätig mitzugestalten; Bereitschaft zu wecken zu sozialem Dienst am einzelnen und für die Gesellschaft; internationale Verständigung und Zusammenarbeit zu fördern und zu verwirklichen. Zur Erfüllung dieses Zwecks unterhält der Kläger eigene und übertragene Einrichtungen für Deutsche und Ausländer, insbesondere in den Bereichen des Schul- und Ausbildungswesens-, berufsbegleitenden, der beruflichen und der politischen Bildung sowie in den Arbeitsfeldern sozialer Dienste, der Freizeithilfe und internationalen Begegnung, der Sprach- und Berufsförderung, der gesundheitlichen Fürsorge und der sozialen Beratung und Betreuung.

In Stuttgart betreibt der Kläger ein Berufsbildungszentrum. In diesem Berufsbildungszentrum werden berufliche Umschulungen, Ausbildungen im arbeits- und sozialmedizinischen Bereich, Informationsseminare, Bewerbungstraining, Bildungserprobungen, Lehrgänge zur Rückgliederung ins Heimatland, Grundausbildungslehrgänge für ausländische Jugendliche, Förderungslehrgänge zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten bzw. zur Erlangung der Berufsreife und ausbildungsbegleitende Hilfen durchgeführt. Die berufliche Umschulung ist in mehrere Fachbereiche aufgegliedert, u.a. in den Fachbereich Gartenbau. Zu diesem Zweck pachtete der Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1985 einen Gärtnereibetrieb in Tübingen. Dieser besteht aus einer Fläche von 1 ha mit 4.676 qm Hochglas und 450 qm Niederglas.

Neben geringfügigen Freilandflächen bei dem eigentlichen Betriebsgelände liegt die Restfläche abseits und wird nicht genutzt. Die vorhandenen Glas- sowie die geringfügigen Freilandflächen werden dagegen in vollem Umfang für die Anzucht von Topf- und Schnittblumen genutzt. Gemüseanbau findet nicht statt. Alle Erzeugnisse werden über den Großhandel vermarktet. Ein Einzelverkauf an Verbraucher findet nicht statt. Hauptberuflich werden zwei Gärtnermeister beschäftigt, die im Regelfall 15 Personen für den Lehrberuf des Blumen- und Zierpflanzengärtners ausbilden bzw. umschulen.

Am 15. November 1985 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Mitgliedschein über die Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis der Gartenbau-Berufsgenossenschaft mit Wirkung ab 1. Januar 1985. Zur Begründung führte sie aus, der Gartenbaubetrieb, der als Ausbildungsgärtnerei diene, begründe Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Eine Mitversicherung dieses gärtnerischen Unternehmens bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Beigeladene) sei aufgrund der Betriebsgröße unter Beachtung des § 644 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht möglich.

Hiergegen legte der Kläger am 6. Dezember 1985 Widerspruch ein. Er sei Mitglied bei der Beigeladenen, weshalb eine Mitgliedschaft bei der Beklagten hinfällig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1987 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Mitversicherung von landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betriebsteilen bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung sei generell dann ausgeschlossen, wenn eine Landwirtschaft von mehr als 5 ha oder ein Unternehmen des Gartenbaus von mehr als 0,25 ha bewirtschaftet werde. Dieser Bestandsschutz für die landwirtschaftliche Unfallversicherung werde darüber hinaus auch in § 647 RVO für die einheitliche Versicherung eines Unternehmens mit verschiedenartigen Bestandteilen statuiert. Die Gärtnerei in Tübingen verfolge neben Ausbildungszielen selbständige gärtnerische Produktionszwecke, die nicht unmittelbar zur Durchführung der technischen und wirtschaftlichen Ziele des Hauptunternehmens notwendig seien. Sie bilde vielmehr einen in wirtschaftlicher Verbindung und Abhängigkeit zum Hauptbetrieb stehenden landwirtschaftlichen, gärtnerischen Nebenbetrieb, der durchaus selbstständig existieren könnte. Unabhängig davon wäre bei Zugehörigkeit zu einem Träger ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge