Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist zur Beantragung von Insolvenzgeld
Orientierungssatz
1. Nach § 324 Abs. 3 S. 1 SGB 3 ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen.
2. Die Übersendung einer Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter an die Bundesagentur für Arbeit stellt keinen Antrag des Berechtigten auf Gewährung von Insolvenzgeld dar. Der Arbeitgeber und der Insolvenzverwalter sind nicht Inhaber von eigenen Rechten gegenüber der Insolvenzgeldversicherung. Die Ausstellung der Insolvenzgeldbescheinigung ist dem Insolvenzverwalter nur übertragen, weil der Arbeitgeber in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist.
3. Der Insolvenzverwalter ist weder in einem rechtlichen noch in einem tatsächlichen Sinn Vertreter oder Bevollmächtigter der von der Arbeitgeberinsolvenz betroffenen Arbeitnehmer.
4. Eine Nachfrist bei versäumter Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB 3 ist nicht einzuräumen, wenn sich der Antragsteller nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Insoweit hat der Arbeitnehmer auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 18. Februar 2013.
Die Kläger sind die gesetzlichen Erben des 1978 geborenen und 2016 verstorbenen F. E., vormaliger Kläger und Berufungsführer. Dieser war in der Zeit vom 2. Februar 2012 bis 18. Februar 2013 bei der Firma Gerüstbau G. GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma ordnete das Amtsgericht Ingolstadt mit Beschluss vom 26. Februar 2013 die vorläufige Insolvenzverwaltung und mit Beschluss vom 3. April 2013 in der Folgezeit das Insolvenzverfahren an (Az. ...). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. später zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt H. bestellt.
Für die Monate Januar und Februar 2013 hatte die Arbeitgeberin Herrn E. kein Gehalt mehr ausgezahlt. Ausweislich der vom Insolvenzverwalter ausgestellten Insolvenzgeldbescheinigung vom 24. April 2013 betrug das Bruttoarbeitsentgelt des Herrn E. im Januar 2013 2.295,85 EUR und in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013 1.654,50 EUR. Hieraus folge ein noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.569,66 EUR im Januar 2013 und in Höhe von 1.102,69 EUR in der Zeit vom 1. bis 18. Februar 2013.
Unter dem 28. Februar 2013 erhob Herr E. anwaltlich vertreten Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main wegen offener Lohnzahlungen für Januar und Februar 2013 (Az. 19 Ca 1461/13). Mit Teilversäumnisurteil im Rahmen der Güteverhandlung vom 25. März 2013 wurde der Arbeitgeber in Anwesenheit des Herrn E. und seiner damaligen Prozessbevollmächtigten verurteilt, ihm 2.545,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. März 2013 zu zahlen.
Am 17. Juni 2013 beantragte Herr E. durch seinen Prozessbevollmächtigten nach eigenen Angaben "fristwahrend nach unverschuldeter Fristversäumnis ab Ablauf des Hindernisses" die Gewährung von Insolvenzgeld. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2013 teilte sein Bevollmächtigter mit, dass Herr E. nicht fristwahrend Insolvenzgeld habe beantragen können, da er auf die Annahme nahezu jeder Beschäftigung zu jedweder Arbeitsbedingung angewiesen gewesen sei. Die neue Arbeitgeberin habe ihn für die Dauer von zwei Monaten außerhalb seiner Wohnung eingesetzt. Er habe daher faktisch erst ab der 24. Kalenderwoche den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld stellen können, nachdem er von dieser Möglichkeit erfahren hatte. Hierzu legte er ein Schreiben der J. GmbH vom 8. Juli 2013 vor, wonach Herr E. im Zeitraum April/Mai 2013 auf einer Betriebsstätte in I-Stadt dauerhaft auf Montage eingesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld ab. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten zu stellen. Die Frist beginne am Tag nach Vorliegen des Insolvenzereignisses. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei jedoch erst am 17. Juni 2013 gestellt worden. Herr E. habe die Ausschlussfrist versäumt. Die Einräumung einer Nachfrist komme nicht in Betracht. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters sei mit Schreiben vom 15. April 2013 die Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Antragstellung auf Insolvenzgeld erfolgt.
Hiergegen erhob sein Bevollmächtigter unter dem 26. Juli 2013 Widerspruch. Die Voraussetzungen für das Einräumen der Nachfrist dürften nicht überspannt werden. Herr E. habe aufgrund der durchgehenden auswärtigen Beschäftigung von den Angaben des Insolvenzverwalters keine Kenntnis erlangt. Darüber...