Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Angemessenheit. Umzug. Befristeter Bestandschutz. Zusicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zieht ein Leistungsberechtigter um, ohne sich zuvor vom Jobcenter zusichern zu lassen, dass die Kosten für die neue Unterkunft angemessen sind, findet die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II keine Anwendung.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 4

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.12.2016; Aktenzeichen B 4 AS 384/16 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Oktober 2014, berichtigt durch Beschluss vom 29. Oktober 2014, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014 zu gewährenden Kosten der Unterkunft (Kaltmiete).

Die 1982 geborene Klägerin war bis zum 17. Februar 2014 unter der Anschrift "B-Straße, B-Stadt" gemeldet und stand auch dort beim Jobcenter Landkreis Esslingen im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 18. Februar 2014 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Bl. 1160 der Verwaltungsakte des Beklagten, künftig: VA). Im Hauptantrag war als aktuelle Anschrift "C-Straße" in C-Stadt (A-Stadt) vermerkt. Zudem wurde ein Wohnungs-Einheitsvertrag vom 15. Februar 2014 über eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 36 Quadratmetern im Haus "C-Straße C-Stadt Dachgeschoss links Nr. xx" vorgelegt. Als Mietbeginn war der 1. März 2014 vermerkt. Die Netto-Kaltmiete beläuft sich für diese Wohnung auf 270,- € zzgl. eines Betriebskostenvorschusses von 100,- € (davon 50,- € für Heizkosten), insgesamt mithin auf 370,- €. Im Leistungsantrag war ferner angegeben, dass die Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 391,- € beziehe. Schließlich wies sie darauf hin, dass sie obdachlos geworden wäre, wenn sie die Wohnung nicht angemietet hätte (Bl. 1175 VA).

Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage von verschiedenen Unterlagen auf. Zudem wurde durch eine Mitteilung des bis zum Umzug der Klägerin zuständigen Jobcenters Landkreis Esslingen bekannt, dass die Klägerin dort ihren Umzug nicht angezeigt und sich dementsprechend auch keine Zusicherung vor Abschluss des Mietvertrages im Sinne von § 22 Abs. 4 SGB II eingeholt hatte. Das Jobcenter des Landkreises Esslingen teilte weiterhin mit, dass wegen Meldeversäumnissen vom 27. November 2013, 16. Dezember 2013 und 30. Dezember 2013 Sanktionsentscheidungen gegen die Klägerin ergangen seien, die bei der Leistungsbewilligung durch den neuen Träger zu beachten seien (Bl. 1183 VA). Aufgrund des erfolgten Umzugs hob das Jobcenter Landkreis Esslingen mit Bescheid vom 14. März 2014 (Bl. 1210 VA) die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 19. Februar 2014 bis 31. März 2014 hinsichtlich der zu Unrecht gewährten Unterkunftskosten auf und teilte der Klägerin gleichzeitig mit, dass der bereits ausgezahlte Regelbedarf mit dem Jobcenter Waldeck-Frankenberg verrechnet werde.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. April 2014 (Bl. 1238 VA) bewilligte der Beklagte daraufhin aufgrund des Antrages der Klägerin vom 18. Februar 2014 und unter Berücksichtigung der Minderungen aufgrund von Sanktionen Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2014 bis 31. März 2014 in Höhe von 306,70 €, für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Mai 2014 in Höhe von monatlich 580,40 € und für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Juli 2014 in Höhe von monatlich 697,70 €. Dabei wurden bei der Berechnung des Leistungsanspruchs Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 306,70 € (206,70 € Grundmiete, 50,- € für Bedarf an Heizung und 50,- € für Nebenkosten) berücksichtigt.

Ein daraufhin vor dem Sozialgericht Marburg mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten eingeleitetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren (S 8 AS 78/14 ER) blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG Marburg vom 12. Mai 2014, Bl. 1337 VA), ebenso die dagegen vor dem Hessischen Landessozialgericht erhobene Beschwerde (Beschluss des Senats vom 10. Juni 2014, L 7 AS 369/14 B ER, Bl. 1376 VA). Auch ein weiteres für den Folgezeitraum vom 1. August 2014 bis 31. Januar 2015 mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten durchgeführtes Eilverfahren blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Beschluss des SG Marburg vom 21. Juli 2014, S 8 AS 161/14 ER sowie Beschluss des Senats vom 19. August 2014, L 7 AS 580/14 B ER).

Den gegen den Bescheid vom 3. April 2014 von der Klägerin erhobenen Widerspruch, mit dem sie die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 370,- € monatlich begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vo...

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