Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Angemessenheit von Kosten der Unterkunft. Umzug aus einer unentgeltlich durch einen Verwandten überlassenen Wohnung als Erstbezug

 

Orientierungssatz

Muss ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende eine von ihm mitbenutzte Wohnung, deren Nutzung ihm von einem Familienangehörigen unentgeltlich gestattet wurde, aufgrund eines familiären Zerwürfnisses verlassen und eine eigene Wohnung erstmals anmieten, so stellt dies im Sinne der Regelungen zur Grundsicherung keinen Wohnungswechsel dar. Vielmehr kommen auf die Anmietung der neuen Wohnung die Vorschriften zum Erstbezug zur Anwendung, so dass für die ersten Monate der Mietzeit die tatsächlichen Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger zu übernehmen sind.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 03.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2014 wird abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet an die Klägerin weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 63,30 € zu zahlen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über weitere Kosten der Unterkunft (Kaltmiete).

Die 1982 geborene Klägerin war bis zum 17.02.2014 unter der Anschrift "B-Straße, B Stadt" gemeldet. Unter dieser Anschrift lebte die Klägerin zunächst bei ihrer Schwester.

Wegen familiärer Streitigkeiten verlies die Klägerin im Februar 2014 die Wohnung der Schwester und wohnte vorrübergehend bei Freunden, um sich eine eigene Wohnung zu suchen.

Die Klägerin beantragte mit Antrag vom 18.02.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Hauptantrag war als aktuelle Anschrift "C-Straße" in C-Stadt (A-Stadt) vermerkt. Zudem wurde ein Wohnungs-Einheitsvertrag vom 15.02.2014 über eine 2 Zimmer Wohnung mit einer Wohnfläche von 36 Quadratmetern im Haus "C-Straße C-Stadt Dachgeschoss links Nr. xx" vorgelegt. Als Mietbeginn war der 01.03.2014 vermerkt. Die Netto-Kaltmiete beläuft sich für diese Wohnung auf 270,- EUR zzgl. eines Betriebskostenvorschusses vom 100,- EUR, insgesamt 370,- EUR.

Mit Schreiben vom 20.02.2014 forderte die Beklagte zur Vorlage von verschiedenen Unterlagen auf. Nach weiteren Ermittlungen und Berechnungen bewilligte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 03.04.2014 aufgrund des Antrages vom 18.02.2014 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2014 bis 31.07.2014. Neben dem Regelbedarf wurde eine Grundmiete in Höhe von 206,70 EUR sowie ein Bedarf an Heizung in Höhe von 50,- EUR und ein Bedarf an Nebenkosten in Höhe von weiteren 50,- EUR, insgesamt für Kosten der Unterkunft 306,70 EUR bewilligt.

Die Klägerin begehrte die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft und legte gegen den Bescheid vom 03.04.2014 Widerspruch ein.

Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 03.04.2014 ist mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2014 zurückgewiesen worden.

Die Klägerin hat am 02.07.2014 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben.

Die Beteiligten streiten allein über die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (Kaltmiete), konkret um den noch offenen Differenzbetrag in Höhe von monatlich 63,30 EUR.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Differenzbetrag gezahlt werden muss, da eine günstigere Wohnung nicht verfügbar war.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 03.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2014 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 63,30 € zu zahlen. Zudem wird beantragt, falls die Klage abgewiesen wird, die Berufung zuzulassen und die Auslagen für die Schriftsätze zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage und die Anträge abzuweisen.

Die Beklagte hält ihre getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend und vertieft die Argumente aus dem Widerspruchsbescheid. Die Beklagte ist der Ansicht, dass nach dem eigenen Konzept für den Wohnort A-Stadt maximal ein Betrag von 194,40 EUR für einen Einpersonenhaushalt angemessen sei. Insoweit seien der Klägerin bereits höhere Unterkunftskosten bewilligt worden, als ihr tatsächlich nach schlüssigem Konzept zustehen würden. Zudem fehle es für einen Umzug an einer notwendigen Zustimmung des ursprünglichen Leistungsträgers. Insoweit sei auch ein Anspruch nach § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II ausgeschlossen.

Die Klägerin hat parallel zum Hauptverfahren beim Sozialgericht Marburg einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte mit dem Aktenzeichen S 8 AS 161/14 ER (L 7 AS 636/14 RG) verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 03. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014 ist teilw...

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