Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachzahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung an einen Nachlassinsolvenzverwalter. Erbenstellung des Fiskus. nicht festgestelltes Fiskalerbrecht nach § 1964 BGB
Orientierungssatz
1. Ein Nachlassinsolvenzverwalter kann die Auszahlung einer Rentennachzahlung nicht verlangen, solange der Fiskus als Erbe in Betracht kommt. Denn dann besteht die Möglichkeit, dass der Erbe nach § 58 S 2 SGB 1 die Erfüllung der Forderung nicht verlangen könnte.
2. Insoweit kann die Auszahlung auch nicht deswegen verlangt werden, weil theoretisch noch die Möglichkeit besteht, dass ein natürlicher Erbe vorhanden ist, dem gegenüber die Erfüllung der Leistung nicht verweigert werden könnte, dieser aber bisher nicht ermittelt wurde. Die bloße Möglichkeit ist nicht ausreichend.
3. Der Regelung des § 58 S 2 SGB 1 steht auch nicht entgegen, wenn das Nachlassgericht ein Fiskalerbrecht nach § 1964 BGB bisher nicht festgestellt hat.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2020 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen
IV. Der Streitwert wird auf 857,93 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung eines Rentennachzahlungsanspruchs.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2015 zum Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 30. Juli 2014 verstorbenen und bei der Beklagten gesetzlich rentenversicherten B. E. (Erblasser) bestellt. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte der Erblasser gegen die Beklagte gemäß Rentenbescheid vom 17. März 2015 für den Zeitraum von Mai bis Juli 2014 einen Anspruch auf Nachzahlung aus einer ab dem 1. Mai 2014 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 857,93 €. Mit Beschluss vom 18. Augst 2014 ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben an. Laut telefonischer Auskunft des Nachlasspflegers gegenüber der Beklagten vom 21. April 2016 haben alle Kinder des Erblassers das Erbe ausgeschlagen. Der Erblasser war von seiner ehemaligen Ehefrau geschieden.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 forderte der Kläger die Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über den Nachlass des Erblassers auf, den Betrag in Höhe von 857,93 € an ihn auszuzahlen. Mit Schreiben vom 1. März, 15. März, 27. April und 11. Mai 2016 mahnte der Kläger die Zahlung bei der Beklagten an.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Zahlung an den Kläger nicht erfolgen werde und begründete dies u.a. mit einem Hinweis auf§ 58 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) . Der Kläger hielt seine Forderung mit weiteren Schreiben vom 20. Juni, 6. Juli und 3. August 2016 aufrecht. Mit Schreiben vom 25. August 2016 teilte die Beklagte dem Kläger abschließend mit, dass eine Zahlung an den Kläger nicht erfolgen könne, da weder ein Sonderrechtsnachfolger im Sinne des§ 56 SGB I vorhanden sei noch andere Berechtigte das Erbe des Verstorbenen angetreten hätten, weshalb der Fiskus nach § 1936 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Erbe geworden sein dürfte. Diesem stehe aber gemäߧ 58 Satz 2 SGB I ein Rentenanspruch nicht zu.
Am 27. April 2017 erhob der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main und begehrte die Auszahlung der Rentennachzahlung einschließlich Zinsen.
Am 25. Januar 2019 umfasste die Insolvenzmasse ein Guthaben des verstorbenen Versicherten auf einem Konto der G. in Höhe von 3.514,05 €. Zur Insolvenztabelle nach § 175 Insolvenzordnung (InsO) waren Forderungen in Höhe einer Gesamtsumme von 18.028,45 € angemeldet.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. März 2020 wies das Sozialgericht die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 857,93 €. Die geltend gemachte Forderung falle zwar in die Nachlassinsolvenzmasse. Da aber nicht feststehe, dass der Fiskus nicht Erbe des verstorbenen Versicherten geworden sei, könne der Kläger von der Beklagte die Erfüllung dieser Forderung aufgrund der Regelung des§ 58 Satz 2 SGB I nicht verlangen. Eine Forderung könne nur insoweit zum Nachlass und damit zur Insolvenzmasse gehören, wie sie tatsächlich bestehe. Eine Forderung, die dauerhaft nicht durchgesetzt werden könne (aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Regelung) gehöre zwar zum Nachlass und damit zur Insolvenzmasse, könne aber nicht durchgesetzt werden. Vorliegend sei nicht sicher ausgeschlossen, dass der Fiskus gemäß § 1936 BGB Erbe des verstorbenen Versicherten geworden sei. Solange der Fiskus als Erbe in Betracht komme, bestehe die Möglichkeit, dass dieser als Erbe nach§ 58 Satz 2 SGB I die Erfüllung der Forderung von der Beklagten nicht verlangen und damit auch der Kläger als Nachlassinsolvenzverwalter die Erfüllung der Forderung von der Beklagten nicht verlangen könne. Die bloße Möglichkeit eines natürlichen Erben genüge nicht, um d...