Entscheidungsstichwort (Thema)

Asbestexposition eines Dachdeckers

 

Orientierungssatz

Eine Entschädigungswürdigkeit im Sinne des § 551 Abs 2 RVO für ein Bronchialkarzinom ohne Asbestose ist nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht zu belegen (vgl BSG vom 6.4.1989 - 2 RU 55/88 = HV-INFO 1989, 1177).

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.08.1984; Aktenzeichen S-4/U - 223/82)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. August 1984 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei dem 1923 geborenen und 1974 verstorbenen Versicherten K. G. (G.) die zum Tode führende Bronchialkarzinomerkrankung als Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist und der Klägerin als Witwe des G. Hinterbliebenenleistungen zustehen.

Die Klägerin stellte am 4. Juli 1981 Antrag auf Hinterbliebenenrente. Zur Begründung führte sie aus, G. sei laut ärztlicher Bescheinigung von Dr. Sch. vom 11. Dezember 1974 an Bronchialkrebs gestorben, weil er Asbestarbeiten bei der Herstellung von Dächern verrichtet habe. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, G. habe von 1937 bis 1941 und von 1946 bis 1948 als Dachdecker im elterlichen Betrieb gearbeitet. Von 1949 an sei er selbständig gewesen und habe unter anderem Wellasbestdächer hergestellt. An die genauen Arbeitsorte könne sie sich jedoch nicht mehr erinnern. Für die Art der durchgeführten Arbeiten könne sie nur noch die Zeugen V. P. und K. benennen. Der Zeuge K. teilte mit, dass er mit G. zusammen von 1954 bis 1965 alle Arbeiten, die im Dachdeckerhandwerk angefallen seien, verrichtet habe. Dabei sei Schiefereternit, Welleternit und Platteneternit verarbeitet worden. G. habe selbst bei den anfallenden Arbeiten mit Hand angelegt. Der Zeuge P. gab die Auskunft, dass er mit G. von 1951 bis 1971 zusammengearbeitet habe. Im übrigen machte er dieselben Angaben wie der Zeuge K. was auch für den Zeugen V. gilt, der mit G. 35 Jahre zusammengearbeitet hat. Oberarzt Dr. S. (Stadtkrankenhaus O. - Medizinische Klinik II) führte in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 4. November 1981 aus, G. sei von August bis September 1974 stationär behandelt worden. Aus den zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen über die von G. seinerzeit gemachten Angaben zur Krankenvorgeschichte hätten sich keine Hinweise auf Arbeiten mit Asbest ergeben. Es sei leider trotz intensiven Bemühens nicht gelungen, noch Röntgenaufnahmen von G. aufzufinden. Aus den noch zur Verfügung stehenden Befundberichten über die Röntgenaufnahmen seien Veränderungen am Lungengefüge, die sich röntgenologisch bei Asbeststaublungenerkrankungen darzustellen pflegten, nicht beschrieben worden. Auffallend sei lediglich ein kleinapfelgroßer Rundherd im Bereich des posterioren Oberlappensegmentes rechts, bei dem von vornherein der Verdacht auf ein Karzinom bestanden habe, was anschließend auch durch die Punktion dieses Herdes und die nachfolgende histologische Auswertung bestätigt worden sei. Da anamnestische Hinweise auf Umgang mit Asbest nicht vorgelegen hätten, seien auch Sputum-Untersuchungen unterblieben. In seiner Stellungnahme vom 31. März 1982 vertrat die Landesgewerbeärztin Dr. P. die Auffassung, in der Auswertung der ihr vorliegenden Röntgenthoraxaufnahmen aus dem Jahre 1974 sei zu erkennen, dass bei G. ein Bronchialkarzinom vorgelegen habe, an dessen Folgen er verstorben sei. Sichere Hinweise für das gleichzeitige Vorkommen einer Asbestose lägen nicht vor. Auch finde sich kein Anhalt für ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfelles. Die histologische Untersuchung eines Lungenpunktates habe keine Zeichen für eine Asbestose ergeben. Eine Berufskrankheit habe demgemäß zu Lebzeiten bei G. nicht bestanden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 1982 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen gegenüber der Klägerin ab mit der Begründung, dass G. zwar an einem Bronchialkarzinom verstorben sei, sich jedoch aus den ärztlichen Unterlagen keine Anzeichen für das Vorliegen einer Asbestose ergeben hätten. Es habe somit zu dessen Lebzeiten keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit nach Nrn. 4103, 4104 oder 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 20. August 1982 beim Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main Klage erhoben. Nachdem weitere Röntgenaufnahmen von G. aus den Jahren 1970 und 1974 vorgelegt worden waren, äußerte sich die Landesgewerbeärztin am 1. Dezember 1982 dahingehend, dass zwar auf den Röntgenaufnahmen das diagnostizierte Bronchialkarzinom zu sehen sei, sichere Hinweise für das gleichzeitige Vorliegen einer Asbeststaublungenerkrankung jedoch nicht vorlägen, so dass eine Berufskrankheit nicht begründet werden könne. Falls weiterhin Zweifel bestünden, empfehle sie, ein Gutachten bei Prof. Dr. U. einzuholen. In dem daraufhin am 31. März 1...

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