Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung von Krankengeld. Wiedergewährung von Krankengeld. Verwaltungsakt. Bindung der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wiedergewährung von Krankengeld nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 183 Abs. 2 S. 1 RVO ist unabhängig von der gewählten Form in jedem Fall ein Verwaltungsakt.
2. Dieser Verwaltungsakt ist der Bindungswirkung des § 77 SGG fähig.
3. Ist die Wiedergewährung nicht unter zulässigem Vorbehalt erfolgt und liegt Arbeitsunfähigkeit vor, so kann das wiedergewährte Krankengeld nur unter den Voraussetzungen des § 1744 RVO entzogen werden (Anschluß an BSG v. 20.12.1978 – 3 RK 42/78 = SozR 2200 § 183 Nr. 9).
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2, § 183 Abs. 2, §§ 81, 1744; SGG § 77
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 29.09.1978; Aktenzeichen S-6/Kr - 43/78) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. September 1978 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12. Januar 1978 und vom 26. Januar 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1978 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 31. Dezember 1977 hinaus Krankengeld im gesetzlichen Umfang weiterzugewähren.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Krankengeld in der dritten Blockfrist.
Der 1936 geborene Kläger war ab 9. Januar 1956 als Lagerarbeiter bei der Firma O. AG Versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Betriebskrankenkasse. Am 16. Juni 1971 erkrankte er an einer Ischiasneuritis, Tachycardie und vegetativer Dystonie. Die Beklagte zahlte ihm Krankengeld vom 16. Juni 1971 bis 10. Januar 1973, vom 16. Juni 1974 bis 31. Dezember 1975 und erneut ab 16. Juni 1977, weil der Kläger wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war und zu den genannten Zeitpunkten die zweite bzw. dritte Blockfrist begann.
Bereits während des ersten Krankengeldbezuges hatte der Kläger am 19. Oktober 1972 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) H. einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gestellt. Nach Ablehnung seines Antrags durch Bescheid vom 18. Juni 1973 und Abweisung der dagegen erhobenen Klage durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Darmstadt vom 21. Februar 1974 wurde ihm aufgrund des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. August 1975 mit Bescheid vom 15. September 1976 Versichertenrente für die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis 30. September 1976 gewährt. Den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente vom 23. September 1976 lehnte die LVA Hessen durch Bescheid vom 2. Januar 1978 ab, die dagegen erhobene Klage wurde durch Urteil des SG Darmstadt vom 7. Mai 1980 abgewiesen.
Durch Bescheide vom 12. Januar 1978 und 26. Januar 1978 teilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Oktober 1977 – 3 RK 35/78 – und – 3 RK 8/77 – mit, daß die Zahlung von Krankengeld mit Wirkung vom 31. Dezember 1977 einzustellen sei. Den Widerspruch des Klägers wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 31. März 1978 mit der Begründung zurück, daß der Kläger – wie ihm mitgeteilt worden sei – am 1. Februar 1973 gemäß § 257 a Abs. 1 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgrund eines Anspruchs auf Familienkrankenhilfe Mitglied der beigeladenen Barmer Ersatzkasse (BEK) geworden sei, da über seinen Rentenantrag vom 19. Oktober 1973 noch nicht entschieden gewesen sei. Nach den genannten Urteilen des BSG habe danach u.a. auch ab 16. Juni 1977 ein Anspruch auf Krankengeld nicht bestanden, weil es an einer Mitgliedschaft mit Anspruch darauf gefehlt habe. Die Beklagte zahlte dem Kläger das Krankengeld insgesamt noch bis zur Zustellung des Bescheides am 13. April 1978; auf die Rückforderung für den Monat Januar 1978 hat sie zwischenzeitlich verzichtet.
Die am 9. Mai 1978 erhobene Klage, mit der der Kläger die Zahlung von Krankengeld über den 31. Dezember 1977 hinaus im Rahmen der Blockfrist begehrte, hat das SG Darmstadt durch Urteil vom 29. September 1978 mit der Begründung abgewiesen, daß ein Anspruch auf Krankengeld mangels Mitgliedschaft nicht bestanden habe. Diese sei am 10. Januar 1973 erloschen, da der Kläger von diesem Zeitpunkt an kein Arbeitsentgelt aus einer Versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr erzielt habe. Weder das bis zum März 1977 andauernde Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. O. noch die Gewährung von Krankengeld schließe eine Mitgliedschaft ein, wie aus § 183 Abs. 1 RVO zu ersehen sei. Als Rentenantragsteller und Rentner sei der Kläger zwar gemäß §§ 315 a, 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO Pflichtversicherter der Kasse gewesen, jedoch ohne Anspruch auf Krankengeld (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Ebensowenig habe die Familienkrankenhilfe einen solchen Anspruch begründet, so daß dahinstehen könne, ob zwischenzeitlich auch eine Mitgliedschaft nach § 257 a RVO bestanden habe.
Gegen das am 23. November 1978 zugestellte U...