Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. stationäre Heilbehandlung. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. weg zur Notdurftverrichtung. Abgrenzung zum Toilettengang am Arbeitsplatz
Orientierungssatz
Eine Versicherte gem § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB 7 steht auf dem Weg zur Toilette nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die von der Rechtsprechung für den Gang zur Toilette am Arbeitsplatz entwickelten abweichenden Grundsätze, die für diesen Weg zur einem Unfallversicherungsschutz gelangen, sind nicht auf den Krankenhausbereich übertragbar.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die mittlerweile 81jährige Klägerin will einen Sturz vom 28. Januar 2003 als Arbeitsunfall anerkannt und entschädigt wissen.
Sie war in die Neurologische Klinik des Klinikums A-Stadt von ihrem Hausarzt Dr. S. auf Kosten der Barmer Ersatzkasse eingewiesen worden wegen des Verdachts auf einen Mediainfarkt. Am 28. Januar 2003 war sie auf der Station C 8 gegen 6.40 Uhr vor dem Waschbecken auf dem Rücken liegend aufgefunden worden. Als Folge des Sturzes wurde anschließend eine Oberschenkelhalsfraktur rechts festgestellt.
Im Durchgangsarztbericht des Dr. SF. vom 29. Januar 2003 heißt es, die Klägerin sei im Zimmer ausgerutscht und auf die rechte Hüfte gestürzt. Im Bericht des Dr. SF. vom 4. Februar 2003 sind als unfallunabhängige Erkrankungen aufgeführt: Mediainfarkt links mit Aphasie, Hypertonie arteriell, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus nicht primär insulinabhängig ohne Komplikationen nicht entgleist, Hyponatriämie, Hypokaliämie, Dysphasie und Aphasie, Zustand nach cerebralem Krampfanfall 2000. Die Klägerin machte zunächst geltend, der Unfall sei durch ein fehlendes Bettgitter verursacht worden und mitursächlich seien fehlende Aufsicht und Einweisung gewesen. Die Klinik ging anfänglich davon aus, dass der Unfall sich während des morgendlichen Waschens ereignet habe. Mit Bescheid vom 4. Juni 2003 lehnte die Beklagte daher die Anerkennung des Sturzereignisses als Arbeitsunfall ab, da die Klägerin beim Waschen und damit einer eigenwirtschaftlichen, nicht gesetzlich unfallversicherten Tätigkeit verunglückt sei.
Mit Widerspruch vom 20. Juni 2003 trug die Klägerin vor, der Unfall sei auf dem Weg zur Toilette passiert. Sie habe die auf dem Gang befindliche Toilette gegen 6.00 Uhr morgens aufsuchen müssen und sei noch im Zimmer gestürzt. In ihrer Not habe sie die Notdurft unter sich gemacht. Eine Mitpatientin, die durch das Geräusch des Sturzes wach geworden sei, habe die Nachtschwester verständigt, die sie anschließend versorgt habe. Das Pflegepersonal einschließlich der Ärzte habe bei ihr versagt und seine Aufsichtspflicht verletzt. Als sie als Notfall am Sonntag, dem 26. Januar 2003, aufgenommen worden sei, habe man ihr zunächst auf der Wachstation zum Verrichten der Notdurft die Bettschüssel gereicht. Nachdem sie am Abend des 27. Januar 2003 auf die Station C verlegt worden sei, habe sie die Toilette aufsuchen müssen. Auf die Frage der Beklagten, warum sie im Krankenzimmer gestürzt sei, hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. August 2003 erklärt:
“Nach reiflichen Überlegungen komme ich zu folgenden Ergebnis:
Es war noch Nachtruhe um 6.40 Uhr auf der Station.
Ich mußte dringend auf die Toilette, auf dem Weg dorthin, bin ich aus Schlaftrunkenheit ausgerutscht und so unglücklich gefallen, daß ich mir den Oberschenkelhals gebrochen habe.„
Die Klinik K-Stadt erstattete den Bericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 12. Februar bis 5. März 2003 und die Mitarbeiter W. und IV. der Beklagten erstellten den Dienstreisebericht vom 7. November 2003 über die am Tage zuvor durchgeführte Dienstreise auf die Station C 8 der Städtischen Kliniken A-Stadt, auf der die Klägerin verunfallt war. Darin heißt es, die Klägerin habe zur Toilette gehen wollen und sei vor dem Waschbecken gestürzt, weil sie aus Schlaftrunkenheit nicht die Zimmertür gefunden habe. Sie habe eigentlich nach dem Pflegepersonal klingeln sollen, weil sie nicht habe aufstehen dürfen. Der Dienstreisebericht enthält eine Skizze des Zimmers und die Pflegedienstleiterin merkte an, der Boden sei nicht glatt gewesen und der Sturz sei auf den Gesundheitszustand und die veränderte Umgebung in Anbetracht des Alters der Klägerin zurückzuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2004 hielt die Beklagte an ihrer ablehnenden Entscheidung fest. Die Klägerin sei wegen vorbestehender Erkrankungen und der Schlaftrunkenheit gestürzt, wobei es sich um sog. unversicherte innere Ursachen gehandelt habe. Es hätten bereits vor dem Unfallereignis gravierende, die Gehfähigkeit beeinträchtigende Erkrankungen wie Zustand nach Hirninfarkt, multifaktorielle Gangstörungen, rezidivierende Stürze und generalisierende Krampfanfälle vorgelegen.
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