Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
Orientierungssatz
1. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über keine Sperrminorität, ist er in deren Betriebsorganisation eingegliedert und unterliegt er dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung, ist ein festes Monatsgehalt vereinbart, hat er seine Arbeitsleistung persönlich zu erbringen und hat er bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Vergütung für weitere sechs Monate, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
2. Verfügt der Geschäftsführer-Gesellschafter einer GmbH lediglich über einen Geschäftsanteil von 40 %, so kann er damit eine Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung weder herbeiführen, noch eine solche verhindern.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) 77 %, die Beklagte 23 %, die Beigeladenen zu 2) bis 4) tragen ihre Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) während seiner Tätigkeit im Zeitraum vom 15. Juni 2007 bis zum 31. August 2012 als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und die hieraus resultierende Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Versicherung der Arbeitslosen streitig.
Die klägerische GmbH (HRB Nr. XXX1, AG Hanau) wurde vom Vater des Beigeladenen zu 1), Herrn A. A., und seinem Bruder gegründet. 1985 wurde das Stammkapital von zuvor 20.000,00 DM auf 50.000,00 DM erhöht und ab da allein von dem Vater des Beigeladenen zu 1) gehalten (notarieller Vertrag vom 13. Dezember 1985, UR-Nr. XX2/1995, Notar E., D-Stadt). Ausweislich der zugehörigen Satzung der Klägerin vom 13. Dezember 1985 ist Gegenstand der Firma die industrielle Fertigung aller buchbinderischen Arbeiten, insbesondere von Drucksachen (Broschüren). Nach § 5 der Satzung sind Verfügungen über Geschäftsanteile (u.a. Teilung, Vereinigung, Zusammenlegung, Veräußerung und Abtretung) zulässig, bedürfen aber zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Nach § 8 ist die Gesellschafterversammlung durch einen Geschäftsführer einzuberufen, wenn eine Beschlussfassung erforderlich wird oder die Einberufung aus einem sonstigen Grund im Interesse der Gesellschaft liegt. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen und mindestens 51 von Hundert (v.H.) des Stammkapitals vertreten sind. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht Satzung oder Gesetz eine andere Mehrheit vorschreiben. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen, wobei auf je 1.000,00 DM eine Stimme entfällt. Die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer erfolgt gemäß Satzung durch die Gesellschafterversammlung.
Der Beigeladene zu 1) stand ab dem 1. Mai 1988 in einem Arbeitsverhältnis zu der Klägerin. Vertraglich dokumentiert war er spätestens ab dem 1. Oktober 1996 als Geschäftsführer für die Klägerin tätig. In dem unter dem 15. September 1996 zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:
„§ 2
Der Arbeitnehmer arbeitet als Geschäftsführer.
Das Arbeitsverhältnis besteht seit dem 1.5.1988 und ist unbefristet.
Die Bedingungen dieses Vertrages gelten ab dem 1.10.1996.
Sein Tätigkeitsfeld umfasst im wesentlichen folgende Aufgaben: Geschäftsführung, Firmenorganisation, Einstellungen, Kündigungen, Dotierungen, Investitionsplanung, Unternehmensstrategien, Gerichtsverfahren, Repräsentation des Unternehmens, Betreuung der Kunden, Rechnungsprüfung, Entwicklungen, Personalplanung, Kapazitätsplanung, Reklamationsbearbeitung, Arbeitsverträge abschließen, Kündigungen, Vorstellungsgespräche, Liquiditätsplanung, initiieren von Projekten, Freigabe von qualitätsrelevanten Dokumente.
Es gilt eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende.
Das Monatsgehalt beträgt brutto DM 10.000,-- zzgl. einer Festzahlung von DM 3.500,--. Der Arbeitnehmer erhält eine Tantieme von 50 v.H. des Bruttogewinns, wovon die Hälfte nach Ausdruck der BWA am Ende des Monats und die andere Hälfte am Ende des Jahres ausgezahlt wird.
[…]
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen Firmenwagen, der ihm kostenfrei auch für private Nutzung überlassen wird. Es steht ihm frei, von diesem Recht Gebrauch zu machen oder nicht.
§ 4 Krankheit/Arbeitsverhinderung
Ist der Arbeitnehmer aufgrund von Erkrankung oder aus anderen Gründen an der Arbeit verhindert, so muss der Arbeitgeber am ersten Tag der Erkrankung oder Verhinderung hierüber unterrichtet werden. […]
§ 6 ...