Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Zulassung vor dem 1.1.2007. keine Verpflichtung zur Vorlage selbstschuldnerischer Bürgschaftserklärungen

 

Orientierungssatz

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), das vor dem 1.1.2007 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde, ist nicht verpflichtet, zur weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bzw zur Vermeidung einer Entziehung der Zulassung dem Zulassungsausschuss selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen seiner Gesellschafter iS von § 95 Abs 2 S 6 SGB 5 idF vom 22.12.2006 vorzulegen.

 

Tenor

Die Berufungen des Beklagten, der Beigeladenen Ziff. 1) und des Beigeladenen Ziff. 9) gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 2. August 2010 werden zurückgewiesen.

Die Berufungskläger tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren jeweils zu einem Drittel. Außergerichtliche Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie zu ihrer weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht verpflichtet ist, selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen ihrer Gesellschafter für Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen vorzulegen.

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH und als solches seit 1. Januar 2006 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Neben den IC.-Kliniken gGmbH (einer gemeinnützigen GmbH) ist das MVZ Radiologie und Nuklearmedizin X-Straße GbR weiterer Gesellschafter.

Unter dem Datum vom 2. April 2007 forderte der Zulassungsausschuss die Klägerin zur Einreichung einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung der Gesellschafter binnen zwei Monaten auf, was die Klägerin unter dem Datum vom 4. Juni 2007 tat, allerdings unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung.

Am 16. Oktober 2007 hat die Klägerin zum Az.: S 12 KA 435/07 Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass für ihre Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht Voraussetzung ist, dass ihre Gesellschafter selbstschuldnerische Bürgschaften i. S. v. § 95 Abs. 2 S. 6 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) abgeben. Sie habe ein besonderes persönliches Feststellungsinteresse, weil die Abgabe der Bürgschaftserklärungen zu einem persönlichen Haftungsrisiko der Gesellschafter führe, was durch die spezifische Rechtsformwahl aber ausgeschlossen werden sollte. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. In der Sache sei eine rückwirkende Anwendung des Bürgschaftserfordernisses im Lichte der einschlägigen Grundrechte und des Vertrauensschutzes nicht zulässig.

Der Beklagte teilte mit, er halte mit der Beigeladenen zu 1 an der Rechtsauffassung fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, eine selbstschuldnerische Bürgschaft vorzulegen. Ggf. sei ein Entziehungsverfahren durchzuführen, für das das Feststellungsbegehren nur einen Teilaspekt darstelle.

Das Sozialgericht hat am 2. August 2010 durch Gerichtsbescheid festgestellt, dass für die Teilnahme der Klägerin an der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V nicht Voraussetzung ist, dass ihre Gesellschafter selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen im Sinne von § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigung und Krankenkassen abgeben.

Das Sozialgericht erachtet die Klage als Feststellungsklage für zulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung habe. Als Rechtsverhältnis seien die rechtlichen Beziehungen anzusehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm u. a. für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander ergäben (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992, BVerwGE 89, S. 327, 329). Die Beteiligten stritten letztlich um die Frage, ob die Zulassungsgremien berechtigt seien, solche Erklärungen von der Klägerin zu verlangen. Damit liege ein Rechtsverhältnis vor, das auch hinreichend konkretisiert sei, da der Zulassungsstatus der Klägerin unmittelbar betroffen sei. Die Klägerin könne auch nicht mehr auf die Durchführung eines Anfechtungsverfahrens verwiesen werden. Soweit die Klage zunächst im Hinblick auf das Verfahren mit Az.: S 12 KA 395/07 unzulässig gewesen sei, sei sie nach der Entscheidung des LSG und der Weigerung des Beklagten, zukünftig von der Vorlage der strittigen Bürgschaftserklärung abzusehen, zulässig geworden. Die Zulassungsgremien und die Beigeladene zu 1 hätten mit dem gesamten Verwaltungsverfahren hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie von der Pflicht zur Vorlage der strittigen Bürgschaftserklärung ausgingen. Insofern habe die Klägerin (nunmehr) ein berech...

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