Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwaltungsakt. Drittwirkung. Hinzuziehung. Verfahrensbeteiligung. Beiladung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt nach dem OEG handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Der Täter ist weder Beteiligter, noch ist er von Amts wegen oder auf Antrag nach § 12 SGB 10 hinzuzuziehen bzw. zum gerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen.

 

Normenkette

SGB X § 12; SGG § 75

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 18.10.1994; Aktenzeichen S-6B(D)/V-1181/92)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Beteiligung des Klägers/Schädigers an dem zu Entschädigungsansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfer von Gewalttaten – OEG – führenden Verwaltungsverfahren der Beigeladenen/Geschädigten.

Die Beigeladene beantragte am 29. September 1989 über die Barmer Ersatzkasse, als dem zur Vorleistung verpflichteten Krankenversicherungsträger, Leistungen nach dem OEG. Sie trug vor, am 23. Juni 1988 von dem Kläger geschubst worden zu sein. Daraufhin sei sie hingefallen und der Kläger habe nach ihrem linken Bein getreten. Nach Beiziehung eines Arztbriefes des Rot-Kreuz Krankenhauses (Kaufungen) vom 11. November 1988 sowie eines ärztlichen Gutachtens des Dr. … (Kassel) vom 2. Oktober 1989 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 1989 seine Leistungspflicht wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung mit Anspruch auf Heilbehandlung, nach dem OEG fest. Zuvor hatte er die staatsanwaltschaftlichen Akten beigezogen, aus denen sich ergibt, daß ein Verfahren gegen den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung aufgrund des Verstreichens der Antragsfrist von drei Monaten nach § 170 Abs. 2 Strafprozeßordnung eingestellt worden ist. Zugleich informierte der Beklagte den Kläger über die Durchführung eines Verfahrens nach dem OEG sowie darüber, daß etwaige Schadensersatzansprüche der Beigeladenen/Geschädigten damit auf das Land übergingen.

Nachdem die Barmer Ersatzkasse die Erstattung der von ihr verauslagten Kosten der Krankenhausbehandlung der Geschädigten/Beigeladenen angemeldet und der Beklagte insoweit erstattet hatte, begehrte er vom Kläger im Wege des Schadensersatzes 24.380,23 DM an Krankenkosten für die Beigeladene/Geschädigte. Am 27. August 1990 erhob der Beklagte Klage gegen den Kläger/Schädiger vor dem Landgericht Kassel (Az.: 30 2282/90). Mit Urteil vom 4. Oktober 1990 entsprach das Landgericht Kassel dem Klagebegehren des Landes Hessen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, auf die Berufung des Klägers/Schädigers (Az.: 15 U 10/91) vom 10. Mai 1991 wurde mit Beschluß vom 22. Dezember 1992 das zivilgerichtliche Verfahren nach § 148 Zivilprozeßordnung – ZPO – bis zur Erledigung des Sozialrechtsstreites ausgesetzt. Zur Begründung wird in diesem Beschluß ausgeführt, daß die Entscheidung des Sozialgerichts für die Frage der Aktivlegitimation des Landes Hessen im Zivilgerichtsverfahren vorgreiflich sei. Wenn der Bescheid vom 19. Oktober 1989 Bestandskraft erlangt habe, sei das Zivilgericht hieran gebunden. Umgekehrt sei bei einer Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 1989 davon auszugehen, daß die Aktivlegitimation des Landes Hessen verneint werden müsse. Hingegen trete auch bei einem für den dortigen Beklagten/Kläger/Schädiger ungünstigen Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens die von ihm befürchtete Bindungswirkung in dem Sinne nicht ein, daß damit auch für die Zivilgerichte ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff als Ursache der gesundheitlichen Schädigung der Beigeladenen/Geschädigten bindend festgestellt sei. Vielmehr müsse der Senat die ihm obliegende Prüfung eines Anspruchs der Beigeladenen/Geschädigten eigenständig vornehmen.

Unter Berücksichtigung einer diesem Beschluß vorangegangenen richterlichen Verfügung vom 10. August 1992 im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrens legte der Kläger/Schädiger am 26. August 1992 Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Oktober 1989 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1992 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Der Schädiger/Kläger, so heißt es in diesem Bescheid, habe kein Recht den Bescheid vom 19. Oktober 1989 anzufechten, da er nicht Verletzter sei. Eine nachträgliche Zuziehung als Beteiligter nach § 12 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB 10) könne nicht erfolgen, weil der Ausgang des damaligen Verwaltungsverfahrens keine rechtsgestaltende Wirkung für den Kläger/Schädiger gehabt habe. Außerdem handele es sich beim Verwaltungsakt vom 19. Oktober 1989 um einen solchen mit begünstigender Wirkung, der nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB 10 zurückgenommen werden könne. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor und im übrigen sei sowohl die Rücknahmefrist des § 45 SGB 10 als auch die Widerspruchsfrist verstrichen.

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