Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeld. unbillige Höhe

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation kann die Berechnung des Übergangsgeldes nach § 1241 Abs. 1 RVO im Einzelfall deswegen unbillig hart im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO sein, weil der Betreute während seiner Ausbildung einen Unfall erlitten hat und aus diesem Grunde in der Folgezeit daran gehindert gewesen ist Bereits erworbene Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann auf dem Arbeitsmarkt ein entsprechendes Arbeitsentgelt zu erzielen (Anschluß an Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77 im SozR 2200 § 568 RVO Nr. 1).

 

Normenkette

RVO § 1241a Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 28.05.1980)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Mai 1980 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Beklagte zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 verpflichtet worden ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Übergangsgeldes.

Der am 26. Dezember 1958 geborene Kläger begann nach dem Besuch der Realschule am 15. Juli 1975 bei dem Elektromeister O. E. in A.-M. eine Ausbildung zum Elektro-Installateur. Nach dem Inhalt des Ausbildungsvertrages vom 21. Oktober 1975, der eine Ausbildungsdauer von 3 1/2 Jahren bis zum 14. Januar 1979 vorsah, sollte der Kläger im ersten Ausbildungsjahr 230,– DM brutto, im zweiten Ausbildungsjahr 270,– DM brutto, im dritten Ausbildungsjahr 350,– DM brutto und im 4. Ausbildungsjahr 430,– DM brutto als Ausbildungsvergütung erhalten. Im Mai 1976 erzielte der Kläger einen Bruttoverdienst von 245,– DM, aus dem ein Nettoverdienst von 203,66 DM errechnet wurde.

Am 7. Juni 1976 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, der eine totale Armplexuslähmung rechts zur Folge hatte und eine Fortsetzung der Ausbildung zum Elektroinstallateur unmöglich machte. Auf den am 3. Dezember 1976 beim Arbeitsamt Korbach gestellten Antrag des Klägers, dem die AOK Waldeck-Frankenberg seit dem 19. Juli 1976 auf der Grundlage eines Regellohns von 8,17 DM Krankengeld in Höhe von 6,54 DM täglich zahlte, auf Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation erstellte dieses am 22. August 1977 auf Veranlassung der Beklagten einen Eingliederungsvorschlag, in dem es die Ausbildung des Klägers zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik – befürwortete.

Durch Bescheid vom 21. Oktober 1977 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Dauer von 36 Monaten eine Ausbildung zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik mit Vorförderung im Berufsförderungswerk Heidelberg, das mit Schreiben vom 21. Dezember 1977 als Ergebnis einer individuellen Untersuchung die Aufnahme des Klägers in die Ausbildung davon abhängig machte, daß er ein einjähriges, mindestens aber ein halbjähriges Praktikum im Bereich der Elektronik absolvierte. Nachdem der Kläger in der Zeit vom 3. April 1978 bis 31. Juli 1978 sein Praktikum bei der Firma F. & G. in A. abgeleistet hatte, begann er am 5. Oktober 1978 seine Ausbildung im Berufsförderungswerk Heidelberg.

Durch Bescheid vom 22. Januar 1979 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Zeit ab 5. Oktober 1978 ein Übergangsgeld von 5,99 DM täglich. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes gemäß § 1241 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ging die Beklagte entsprechend dem vom Kläger im Mai 1976 erzielten Entgelt von einem täglichen Regellohn von 8,17 DM und einem entgangenen regelmäßigen Netto-Arbeitsentgelt von täglich 6,79 DM aus. Ferner berücksichtigte sie, daß sie für die Dauer der Maßnahme die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Klägers trug. Das auf diese Weise errechnete Übergangsgeld von 4,91 DM aktualisierte die Beklagte gemäß § 1241 c RVO auf 5,99 DM.

Mit seinem Widerspruch, den der Widerspruchsausschuß der Beklagten dem Sozialgericht Kassel gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Klage zuleitete, machte der Kläger geltend, die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage der Ausbildungsvergütung vom Mai 1976 bedeute für ihn eine unbillige Härte. Die Beklagte müsse bei der Berechnung vielmehr von einem Tariflohn für Elektro-Installateure nach abgeschlossener Lehre ausgehen. Nach dem Ausbildungsvertrag vom 21. Oktober 1975 wäre die Vergütung mit fortschreitender Ausbildung erhöht worden und die Ausbildungszeit am 14. Januar 1979 beendet gewesen. Nach der Facharbeiterprüfung, die er voraussichtlich erfolgreich bestanden hätte, wäre er von seinem Lehrherrn als Facharbeiter gegen den entsprechenden Tariflohn übernommen worden. Für seine Auffassung bezog sich der Kläger auf das in dem Rechtsstreit 8 RU 54/77 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Dezember 1977.

Durch Urteil vom 28. Mai 1980 verpflichtete ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?