Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungen bei Schwangerschaft. Haushaltshilfe. Kostenerstattung. Ursachenzusammenhang. Zeitliche Begrenzung. Schwangerschaftsbeschwerden. Krankheit. Fortführung des Haushalts. Risikoschwangerschaft
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Haushaltshilfe bei Schwangerschaft.
Normenkette
RVO § 199 S. 1; SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 38 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Mai 2015 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2012 verurteilt, der Klägerin die in der Zeit vom 20. Februar 2012 bis zum 21. April 2012 sowie vom 26. April 2012 bis 26. Juli 2012 in Höhe von insgesamt 6.342,50 € entstandenen Kosten für Haushaltshilfe zu erstatten.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe hat.
Die 1982 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin war im streitigen Zeitraum schwanger und lebte mit ihren sieben Kindern (geboren in den Jahren 2001, 2003, 2004, 2005, 2008, 2009 und 2011) sowie ihrem in Vollzeit berufstätigen Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt. Das achte Kind wurde am xx. xxx 2012 geboren. Die Nachbarinnen der Klägerin - C. und D. - leisteten u.a. in der Zeit vom dem 20. Februar 2012 bis zum 26. Juli 2012 abwechselnd bei der Klägerin Haushaltshilfe an durchschnittlich 6 Tagen in der Woche à 5 bis 7 Stunden für 6,50 € pro Stunde.
Unter dem 17. Januar 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Haushaltshilfe. Später legte sie eine ärztliche Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. E. vom 8. Februar 2012 vor, in welcher er ausführte, dass die Klägerin unter einer akuten schweren Nierenbeckenentzündung leide. Sie müsse unbedingt liegen. Als Therapie seien Ruhe und Schonung erforderlich. Die Klägerin könne den Haushalt nicht weiterführen und benötige Haushaltshilfe für 3 Wochen und 8 Stunden täglich. Unter dem 10. Februar 2012 beschrieb Dr. E., dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert habe. Aufgrund der Schwangerschaft könne man medikamentös "nicht so schnell vorankommen, wie sonst". In die Klinik könne er die Klägerin wegen der 7 Kinder auch nicht einweisen. Sie könne daher nur zu Hause therapiert werden. Haushaltshilfe sei dringend nötig.
In der Folgezeit fragte die Klägerin wiederholt bei der Beklagten wegen der beantragten Haushaltshilfe nach.
Wegen der schweren Nierenbeckenentzündung bewilligte die Beklagte der Klägerin Haushaltshilfe für die Zeit vom 19. Januar bis 18. Februar 2012.
Die Klägerin legte der Beklagten eine weitere Bescheinigung von Dr. E. vom 1. März 2012 vor. Dieser bestätigte, dass die Klägerin den Haushalt nicht mehr weiterführen könne. Haushaltshilfe sei erforderlich wegen schwangerschaftsbedingter starker Wirbelsäulenschmerzen mit ständiger täglicher Behandlung in Form von Krankengymnastik, Massagen und Schonung. Es handele sich um eine akute schwere Erkrankung. Die Klägerin könne deswegen die sieben kleinen Kinder und den Haushalt nicht alleine versorgen. Ein Klinikaufenthalt solle vermieden werden. Die Haushaltshilfe werde benötigt für 23 Tage oder 3 1/2 Wochen und 8 Stunden täglich. Unter dem 29. März 2012 bescheinigte Dr. E., dass die Haushaltshilfe bis zum 21. April 2012 benötigt werde.
Der von der Beklagten zur Stellungnahme aufgeforderte Medizinische Dienst der Krankenkassen in Hessen (MDK) stellt unter dem 2. April 2012 fest, dass eine Haushaltshilfe nicht befürwortet werde. Die Schwangerschaft sei intakt, es lägen keine Beschwerden vor.
Mit Bescheid vom 5. April 2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe ab. Eine Bezugnahme auf einen näher bezeichneten Antrag oder eine beantragte Leistungszeit enthält der Bescheid nicht.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Ihre Erschöpfung, Schmerzen und Probleme mit den Händen seien nicht berücksichtigt worden. Ihre Hebamme habe ihr sehr deutlich gemacht, dass sie sie in das Krankenhaus einweisen müsse, wenn nicht baldige Abhilfe im Haushalt erfolge. Bei einer Mehrgebärenden sei immer mit einer Frühgeburt zu rechnen und somit auch mit einer Gefährdung ihres noch ungeborenen Kindes. Auch in ihrem Mutterpass stehe, dass sie aufgrund von Fehlgeburten in den Jahren 2007 und 2009 ein erhöhtes Risiko habe. Wegen der hohen Anzahl der Kinder und der raschen Schwangerschaftsfolge bestehe eine Risikoschwangerschaft. Zu ihrer Erschöpfung kämen noch die Schmerzen und die Fehlfunktion ihrer Hände hinzu, die aufgrund der Schwangerschaft lediglich mit Krankengymnastik behandelt werden könnten. Schwangerschaftsbedingt könnten auch kein MRT oder Röntgenaufnahmen ihrer Halswirbelsäule gemacht werden, so dass sie auch keine hundertprozentige Diagnose von einem Fac...