Entscheidungsstichwort (Thema)

Ziviles Gefolge von NATO-Streitkräften. Statusänderung. Prognose. gewöhnlicher Aufenthalt

 

Leitsatz (amtlich)

Auch im Falle des Fortbestehens einer Beschäftigung bei den in der Bundesrepublik Deutschland stationierten NATO-Streitkräften kann eine ursprünglich bestehende Zugehörigkeit zum zivilen Gefolge dieser Streitkräfte enden, wenn Umstände eintreten, die jedenfalls von nun an auf das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland schließen lassen.

 

Normenkette

NATOTrStat Art. I Abs. 1b; NATOTrStatZAbk Art. 13; SGB I § 30 Abs. 2-3; BKGG § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.03.1992; Aktenzeichen S-22/Kg-535/89)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 1992 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem-Kläger die außergerichtlichen Kosten auch der Berufungsinstanz zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Zeit von März 1988 bis Juni 1988 und von November 1988 bis September 1990 die Regelungen des Nato-Truppenstatuts entgegenstehen.

Der Kläger ist am 12. September 1946 geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger. Seit 1978 ist der Kläger mit der US-amerikanischen Staatsangehörigen M. J. (geb. 11.06.1949) verheiratet. Aus dieser Ehe sind die in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kinder V. (geb. 30.04.1979), S. (geb. 06.03.1981) und L. (geb. 17.06.1986) hervorgegangen.

Die Ehefrau des Klägers ist seit 1974 als Zivilangestellte Lehrerin bei den US-Streitkräften in Frankfurt am Main beschäftigt. Zuvor war sie an einer US-amerikanischen Schule in Äthiopien tätig. Sie bezieht ihr Gehalt in US-Dollar. Weder sie noch ihr Ehemann erhalten von den US-Streitkräften oder anderen amerikanischen Stellen Kindergeld oder andere kindergeldähnliche Leistungen. Die Klägerin wird von den US-Streitkräften als Mitglied des zivilen Gefolges dieser Streitkräfte angesehen.

Der Kläger verfügt über die 1. Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien. Innerhalb der streitbefangenen Zeiträume stand er in keinem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und bezog auch keine Leistungen des Arbeitsamtes. Außerhalb dieser Zeiträume war der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland mehrfach versicherungspflichtig beschäftigt und bezog von der Beklagten Arbeitslosengeld.

Der Kläger bewohnt mit seiner Ehefrau und den Kindern in Frankfurt am Main eine von den Eheleuten M. im Jahre 1985 erworbene Eigentumswohnung. Seine Töchter V. und S. besuchten in Frankfurt am Main die deutsche Grundschule. Seit Ende des Grundschulbesuches sind sie Schülerinnen an der Z., einem Frankfurter Gymnasium. V. besucht die 8. Klasse; S. ist in der 5. Klasse. L. geht seit Beginn dieses Schuljahres auf die R.-Schule (Grundschule) in Frankfurt am Main. Zwischen 1989 und 1992 besuchte sie dort die Kindertagesstätte 37.

Durch Bescheid vom 7. Juni 1988 bewilligte die Beklagte dem Kläger für seine drei Kinder Kindergeld für die Zeit bis einschließlich Februar 1988. Einen weitergehenden Anspruch lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, Artikel I Abs. 1 des Nato-Truppenstatuts (NATOTrStat) i.V.m. Artikel 13 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut (NATOTrStatZAbk) stünden der Kindergeldbewilligung entgegen, weil der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland keine der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung als Arbeitnehmer ausübe und keine Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld) mehr beziehe. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1989 zurückgewiesen.

In der Zeit von Juli 1988 bis Oktober 1988 wurde dem Kläger, der während dieser Zeit in einem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand, erneut Kindergeld gewährt.

Gegen die Ablehnung des Kindergeldes in der Zeit von März 1988 bis Juni 1988 erhob der Kläger Klage. Während des sozialgerichtlichen Verfahrens lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 14. Februar 1989 die vom Kläger in der Zeit ab November 1988 geltend gemachten Kindergeldansprüche gleichfalls mit der zuvor gegebenen Begründung ab. Seit Oktober 1990 wird dem Kläger wiederum Kindergeld gezahlt.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 9. März 1992 die vom Kläger angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger in der Zeit von März 1988 bis Juni 1988 sowie von November 1988 bis September 1990 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, Artikel 13 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut stehe der Kindergeldgewährung nicht entgegen. Denn die Ehefrau des Klägers sei trotz ihrer US-Staatsangehörigkeit nicht dem zivilen Gefolge der US-amerikanischen Armee als zugehörig anzusehen, da sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe und dieser Personen...

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