Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.05.1993; Aktenzeichen S-1/Ar-505/92) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 1993 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 119 a Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) im Streit.
Der am 4. April 1933 geborene Kläger stand seit dem 11. August 1969 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma S. AG im Brennelementewerk in H. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers vom 21. März 1990 zum 30. September 1991. Am 18. September 1991 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Ausweislich der Arbeitsbescheinigung war die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber tarifvertraglich nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen zulässig. Aus der Anlage zur Arbeitsbescheinigung ist ersichtlich, daß der Kläger von der Firma S. eine Übergangszuschuß, eine Beihilfe für langjährige Dienstzeit und ein Ruhegeld ab 1. Oktober 1991 erhielt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß gemäß § 21 Nr. 5 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen dem Kläger, da er das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindestens 10 Jahre ununterbrochen bestanden hatte, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte. Dieser besondere Kündigungsschutz galt nicht bei Vorliegen eines für den Arbeitnehmer geltenden Sozialplanes sowie bei Änderungskündigungen zum Zwecke innerbetrieblicher Versetzungen und Versetzungen im Rahmen des Unternehmens bzw. Konzerns, wenn damit keine Veränderung des Wohnsitzes erforderlich wurde.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1991 hörte das Arbeitsamt Hanau den Kläger zur Frage des Verlustes seines Arbeitsplatzes an. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 31. Oktober 1991 mit, durch eine innerbetriebliche Umorganisation und Personalabbau sei sein Arbeitsplatz wegrationalisiert worden. Hätte er auf einer Änderungskündigung bestanden, wäre einem anderen Mitarbeiter gekündigt worden. Von einer möglichen Kündigungsschutzklage habe er abgesehen, da er diverse finanzielle Unterstützungen erhalte und der Meinung sei, auch vom Arbeitsgericht hätte ihm nicht mehr zugesprochen werden können. Nach 22 Jahren korrekter Behandlung sei ihm eine Klage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber nicht zumutbar.
Mit Bescheid vom 14. November 1991 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. Oktober 1991 bis zum 23. Dezember 1991 fest. Die Beklagte wertete den Sachverhalt dahingehend, daß der Kläger mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses offensichtlich einverstanden gewesen sei und dadurch konkludent das Beendigungsangebot des Arbeitgebers angenommen habe, so daß ein Aufhebungsvertrag – der einer Eigenkündigung gleichstehe – vorliege. Den Widerspruch des Klägers vom 18. November 1991 wies die Beklagte durch Bescheid vom 5. Februar 1992 zurück. Der daraufhin am 2. März 1992 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhobenen Klage gab das SG mit Urteil vom 7. Mai 1993 statt. Die Kammer war der Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht vorlägen, da der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis nicht in diesem Sinne „gelöst” habe. Das bloße Schweigen oder Hinnehmen einer Kündigung, allein das Absehen von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne erkennbare Zustimmung also, sei nicht ausreichend für die Annahme einer Zustimmung und könne auch nicht als Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages angesehen werden. Auf die Entscheidungsgründe im übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 6. August 1993 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. August 1993 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, den Arbeitnehmern sei bekannt gewesen, daß die Kündigungen tarifrechtlich unwirksam gewesen seien, sie seien wegen der finanziellen Zuwendungen durch den Arbeitgeber jedoch hingenommen worden. Nach den Gesamtumständen habe der Kläger Kenntnis von der tarifrechtlichen Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung gehabt und habe auch erkennen können, daß die Kündigung der Firma S. ein Vertragsangebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstelle und der Kläger sei darüber hinaus bereit gewesen, diesem Willen zu entsprechen. Dafür sei ein wichtiger Grund nicht anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist im übrigen auf die Rechtsprechung des Bundes...