Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensverlust bei einem mit Schädigungsfolgen tätigen Landwirt

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust ist bei einem selbständigen Landwirt mit einem landwirtschaftlichen Besitz von ca. 10 ha Größe rechnerisch nur dann ersichtlich, wenn er

  1. Personalmehraufwendungen,
  2. erhöhte Aufwendungen für Maschinen und (oder)
  3. verminderte eigene Arbeitsleistungen mit der Folge geringeren Verdienstes nachweist.

2) Ein – unterstelltes – Unvermögen zur Aufnahme einer beruflichen Nebentätigkeit ist wegen § 2 Abs. 2 DVO unbeachtlich.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3-4; DVO § 2

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 12.09.1972)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 unter Buchstabe a) des Urteilstenors aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der … 1922 geborene Kläger erhielt durch Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 14. Januar 1952 Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. wegen

„1) Verlust des linken Unterschenkels mit Muskelschwund am Bein.

2) Folgenlos verheilte Weichteilverletzungen am Hals”

als Schädigungsfolgen. In Ausführung eines rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 9. Oktober 1964 wurde die MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Dezember 1961 auf 60 v.H. erhöht (Bescheid vom 17. Dezember 1964). Von Beruf ist der Kläger Landwirt und war im alterlichen Betrieb zusammen mit seiner Ehefrau als mithelfendes Familienmitglied tätig. Ab 1. Januar 1965 haben beide laut notariellem Übergabenvertrag vom 13. Februar 1965 den eine Wirtschaftsfläche von ca. 11 ha umfassenden Hof gegen Gewährung von Altenteilsleistungen übernommen, nachdem sie einem Ehevertrag gemäss §§ 1415 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unter Ausschluss der Zugewinngemeinschaft geschlossen hatten. Im Jahre 1969 hat der Kläger ca. 1 ha Wiesen dazugepachtet.

Am 19. März 1965 beantragte er beim Versorgungsamt F. Berufsschadenausgleich. Zwar habe er sein Berufsziel des selbständigen Landwirts erreicht, sei aber in der Ausübung durch die Schädigungsfolgen stark behindert. Es sei natürlich schwer, den Einkommensverlust im einzelnen festzustellen und nachzuweisen. Doch liege auf der Hand, dass er nicht so intensiv wie ein Ungeschädigter wirtschaften könne, sich die Arbeiten möglichst leicht gestalten und einen Ausgleich durch Maschinen suchen müsse.

Der Bescheid vom 9. November 1966 schloss sich dieser Auffassung ebensowenig an wie der Widerspruchbescheid vom 8. Februar 1967. Für die Gewährung von Berufsschadensausgleich unter Einstufung in die Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) fehle die rechtliche Handhabe, da der Kläger keinen ersichtlichen Einkommensverlust habe. Die Berufungsbeeinträchtigung sei durch Anerkennung seiner besonderen Betroffenheit in genügender Weise berücksichtigt worden.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda erklärte sich das beklagte Land am 22. September 1970 bereit, über den Antrag des Klägers nach Überprüfung erneut zu entscheiden, worauf dieser die Klage zurücknahm.

Mit durch Widerspruchbescheid vom 12. Mai 1971 bestätigtem Bescheid vom 29. März 1971 lehnte das Versorgungsamt den Antrag nach Durchführung von Ermittlungen wiederum ab. Dass der Kläger seinen Beruf unter erschwerten Bedingungen ausführe, sei durch § 30 Abs. 2 BVG ausgeglichen. Mehraufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Arbeitskräfte seien ihm nicht entstanden. Sie Ausstattung mit landwirtschaftlichen Maschinen sei im Zuge der Modernisierung notwendig gewesen.

Gegen diese Bescheide hat sich der Kläger erneut an das Sozialgericht Fulda gewandt, das seine Klage mit der gleichfalls bei ihm anhängigen Klage derselben Beteiligten verbunden hat, welche die Berechnung einkommensabhängiger Leistungen auf die Ausgleichsrente zum Gegenstand hatte.

Zur Begründung hat der Kläger neu vortragen, er habe aus schädigungsbedingten Gründen die Anbaufläche seines Betriebes nicht durch Pachtland vergrössern und keinen Nebenberuf aufnehmen können. Hierin liege sein Einkommensverlust.

Mit Urteil vom 12. September 1972 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide in Buchstabe a) des Tenors dem Grunde nach verurteilt; dem Kläger Berufsschadensausgleich ab Antragsmonat zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, zwar müsse davon ausgegangen werden, dass er sein Berufsziel trotz der Schädigungsfolgen erreicht habe. Sein Einkommensverlust ergebe sich jedoch daraus, dass er geringere Erträge erziele. Auch könne er sein freibleibende Arbeitskraft nicht in einer Nebentätigkeit verwerten.

Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 13. November 1972 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 12. Dezember 1972 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Berufungsschadensausgleic...

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