Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeiten bei nichtdeutschen Rentenversicherungen bis zum 8.5.1945
Orientierungssatz
Über § 1 Buchst b FRG werden nur solche Rechtspositionen (Rentenanwartschaften oder Rentenansprüche) entschädigt, die gegenüber dem ausländischen Versicherungsträger des Herkunftslandes bereits vor Beendigung des Krieges vorhanden gewesen sind und infolge der Kriegsauswirkungen nicht mehr realisiert werden können (Anschluß an BSG vom 18.7.1996 - 4 RA 46/94 = SozR 3-5060 Art 6 § 4 Nr 1).
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 14.10.1992; Aktenzeichen S-9/J - 229/90) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Altersruhegeldes unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) streitig.
Der 1929 in M./Tschechoslowakei geborene Kläger absolvierte vom 23. August 1943 bis zum 30. September 1946 bei dem Feinkosthändler P. S. in M. eine kaufmännische Lehre. Ab 1. Oktober 1946 war er bei verschiedenen Arbeitgebern in M. und P. berufstätig. Nach einer Beschäftigung als Buchhalter in E. im Zeitraum vom 29. September 1952 bis zum 21. Februar 1958 arbeitete der Kläger vom 24. Februar 1958 bis zum 26. April 1969 in E. als Verkäufer. Seit Mai 1969 hat der Kläger seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Vom 13. Mai 1969 bis zum 31. Dezember 1988 war der Kläger hier versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der Fa. O. AG. Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter wurden für den Zeitraum vom 13. Mai 1969 bis zum 31. Dezember 1988 entrichtet. Nach Arbeitslosigkeit ab 2. Januar 1989 und Antragstellung am 28. September 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger, der mit Einbürgerungsurkunde vom 23. Oktober 1981 seit dem 9. November 1981 deutscher Staatsangehöriger ist, durch Bescheid vom 2. Februar 1990 vorgezogenes Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab 1. Januar 1990 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 30. Dezember 1989 in Höhe von 926,80 DM monatlich. Der Rentenberechnung lagen 20,58 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zugrunde. Die Beklagte berücksichtigte 235 Monate Beitragszeiten aus dem Zeitraum vom 13. Mai 1969 bis zum 31. Dezember 1988 und 12 Monate Ausfallzeit vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1989.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger ein höheres Altersruhegeld unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiten vom 23. August 1943 bis zum 26. April 1969 als Beitragszeiten. Die Vorschrift des § 1 b) FRG sei anwendbar. Aufgrund seiner Einbürgerung sei er Deutscher im Sinne des Artikel 116 Grundgesetz (GG). Er gehöre zum Personenkreis des § 1 FRG, da er bereits vor dem 8. Mai 1945 in der Tschechoslowakei beschäftigt gewesen sei und seine tschechoslowakische Versicherungszeit nicht in Anspruch nehmen könne. Seit dem 23. August 1943 habe er eine Ausbildungszeit in der damaligen Tschechoslowakei zurückgelegt. Sein Arbeitgeber habe Sozialbeiträge an den Sozialversicherungsträger entrichtet. Auch nach dem 8. Mai 1945 sei er in der Tschechoslowakei als Arbeitnehmer tätig gewesen, so daß der vollständige arbeitsrechtliche Verlauf seit der Ausbildung bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sei. Der Kläger legte Ablichtungen aus dem Arbeitsbuch und des Lehrvertrages vom 25. September 1943 vor.
Die Beklagte machte geltend, der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis des § 1 FRG. Er sei weder als Vertriebener anerkannt noch gehöre er zu den Personengruppen nach den Buchstaben c) und d) des § 1 FRG. Auch die Voraussetzungen des § 1 b) FRG seien nicht gegeben. Der Berechtigte müsse bereits vor Kriegsende gegenüber einem ausländischen Versicherungsträger Leistungsansprüche erworben haben, die er infolge der Kriegsauswirkungen nicht verwirklichen könne. Die vom tschechischen Versicherungsträger übermittelten Versicherungszeiten für die Zeit ab Februar 1947 lägen ausnahmslos nach dem Zweiten Weltkrieg, so daß die Vorschriften des § 1 b) FRG keine Anwendung finden könnten. Der Umstand, daß der Kläger bereits vor dem 8. Mai 1945 beschäftigt gewesen sei, sei ohne Belang. Nach den damals geltenden Rechtsvorschriften habe die Versicherungspflicht in der Tschechoslowakei nicht vor Vollendung des 16. Lebensjahres begonnen. Somit habe der am 19. August 1929 geborene Kläger vor Kriegsende keine Ansprüche erwerben können, so daß § 1 b) FRG nicht anwendbar sei. Die Beklagte legte eine Ablichtung der Kundmachung des tschechoslowakischen Ministers für soziale Fürsorge vom 25. Juli 1934 über das Gesetz vom 9. Oktober 1924, die Versicherung der Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit, der Invalidität und des Alters betreffend, vor.
Durch Urteil vom 14. Oktober 1992 wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte sei nicht zur Gewährung einer höheren Rente unter ...