Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Neufeststellung einer Verletztenrente

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Neufeststellung einer Verletztenrente des § 56 SGB 7 besteht nach § 48 Abs. 1 SGB 10, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei deren Feststellung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dabei genügt nach der Sondervorschrift des § 73 Abs. 3 SGB 7, wenn sich das Ausmaß um mehr als 5 % ändert und diese Veränderung länger als drei Monate andauert.

2. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch Vergleich zwischen den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit der letzten verbindlichen Rentenfeststellung und den aktuellen Verhältnissen zu ermitteln.

3. Beruht die Rentenhöhe auf dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, dann ist maßgeblicher Ausgangspunkt für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

4. Ist in den Verhältnissen gegenüber diesem Zeitpunkt keine prozentuale Veränderung der Bewertung der Unfallfolgen von mehr als 5 % festzustellen, so ist ein Neufeststellungsanspruch zu versagen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen Verschlimmerung der Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls vom 6. Juni 2007 Rente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu gewähren ist.

Der 1962 geborene Kläger ist selbstständiger Spediteur. Am 6. Juni 2007 rutschte er beim Ausladen eines circa 20 kg schweren Düngersackes auf dem Tritt seines Transporters aus und verdrehte sich dabei das rechte Kniegelenk. Zur diagnostischen Abklärung wurde auf Veranlassung des von dem Kläger am 7. Juni 2007 konsultierten Durchgangsarztes in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) Frankfurt am Main am 12. Juni 2007 eine MRT des rechten Kniegelenkes durchgeführt. Der Radiologe Dr. C. bemerkte in seinem Bericht dazu vom gleichen Tage ausgeprägte arthrotische Veränderungen in beiden Kammern mit oberflächlicher Meniskusarrosion, mäßige retropatellare Arthrose und einen Riss des vorderen Kreuzbandes. In dem Befund wurde im Weiteren auf einen Zustand nach Außenmeniskusresektion vor 26 Jahren, mit in der äußeren Gelenkkammer massivem Knorpelverlust, osteophytären Randkantenausziehungen, subchondraler Spongiosasklerose mäßigen Ausmaßes, ohne Zystenbildung, hingewiesen. In dem ausführlichen fachärztlichen Bericht der BGU (Prof. Dr. D.) vom 10. September 2007 nach Vorstellung des Klägers dort aus eigenem Antrieb am 6. August 2007 findet sich die Diagnose: „Vordere Instabilität am rechten Kniegelenk bei vorderer Kreuzbandruptur infolge Distorsion“, unfallunabhängig wird unter anderem auf Knorpel- und Innenmeniskusverschleißveränderungen sowie Verlust des Außenmeniskus am rechten Kniegelenk hingewiesen. Vom 26. November 2007 bis zum 7. Dezember 2007 befand sich der Kläger zur operativen Versorgung des Knieschadens in der BGU, wo eine Arthroskopie des Kniegelenkes durchgeführt wurde und eine autologe vordere Kreuzbandersatzplastik mit Semitendinosus- und Gracilissehnentransfer, Außenmeniskus- und Hinterhornteilresektion - ausweislich des fachärztlichen Berichtes von dort vom 7. Dezember 2007 komplikationslos - durchgeführt wurde. Auf Grundlage des Ersten Rentengutachtens von Prof. Dr. D. vom 2. Juli 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8. August 2008 zunächst Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 vom Hundert (v. H.). Als Unfallfolgen stellte sie eine Muskelminderung am rechten Oberschenkel sowie eine Bewegungseinschränkung und Instabilität des rechten Kniegelenkes fest. Nicht als Unfallfolgen erkannte sie einen Zustand nach einer Außenmeniskusoperation rechts im Jahr 1981 sowie degenerative Veränderungen des Kniegelenkes an.

Unter dem 22. Januar 2010 erstattete Prof. Dr. D. nach ambulanter Untersuchung des Klägers das Zweite Rentengutachten. In seiner zusammenfassenden Beurteilung gab er an, dass als Folge der unfallbedingten Verletzungen (Kniegelenksdistorsion rechts mit Ruptur des vorderen Kreuzbandes sowie Innen- und Außenmeniskusläsion) im Untersuchungszeitpunkt noch Narben über dem Kniegelenk, eine anteromediale Rotationsinstabilität sowie die im Röntgenbefund beschriebenen Zeichen, die den Zustand nach durchgeführter Kreuzbandersatzplastik mit sichtbaren Bohrkanälen zeigten, bestünden. Unfallunabhängig wies er auf eine lateral betonte Gonarthrose rechts nach Außenmeniskusresektion sowie eine anteilige Muskelminderung des rechten Beines hin. Die MdE schätzte er mit 10 v. H. ein.

Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2010 fest, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Juni 2007 kein Anspruch auf Rente für unbestimmte Zeit bestehe. Gleichzeitig entzog sie die vorläufig gewährte Leistung ab dem 1. April 2...

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