Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung ≪KÄV≫. Honorarverteilungsvertrag. Gestaltungsspielraum. Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht. Ausgleichsregelung zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen. junge Praxis. Befugnis. Vorstand einer KÄV. abweichende Regelung

 

Orientierungssatz

1. Den Kassenärztlichen Vereinigungen wird bei HVM (HVV)-Regelungen unter dem Aspekt von Anfangs- und Erprobungsregelungen ein besonders weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Damit korrespondiert jedoch eine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht.

2. Zur Rechtmäßigkeit einer Ausgleichsregelung zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen im Rahmen eines Honorarverteilungsvertrages, soweit sie auch junge Praxen betrifft.

3. Zur Befugnis des Vorstandes einer Kassenärztlichen Vereinigung, eine abweichende Regelung zugunsten junger Praxen zu treffen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.02.2010; Aktenzeichen B 6 KA 1/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Honorarhöhe im Quartal II/05, wobei der Kläger eine Sonderregelung zur Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages (HVV) der Beklagten begehrt.

Der Kläger ist seit 1. Februar 2004 als Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie, zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugelassen.

Mit Honorarbescheid vom 22. Januar 2006 hatte die Beklagte für das streitige Quartal zunächst ein Nettohonorar (Primärkassen - PK/Ersatzkassen - EK/sonstige Träger) in Höhe von 52.957,42 € festgesetzt. Nach Neuberechnung der Honorarforderung des Klägers setzte sie das Nettohonorar mit Bescheid vom 29. Juni 2006 auf einen Betrag von 55.484,44 € neu fest unter Zugrundelegung von 816 Fällen (PK/EK) und 13 Fällen sonstiger Träger. Gemäß Ziffer 5.2.1. d. ihres ab 1. April 2005 geltenden HVV (Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10. November 2005) sah sie hierbei von einer fallzahlabhängigen Quotierung ab, weil es sich bei der klägerischen Praxis um eine "junge Praxis" handelte, die im Abrechnungsquartal II/05 erst weniger als 12 Quartale bestanden hatte. Bei der Honorarberechnung kam auch die "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus" gemäß Ziffer 7.5 des HVV zur Anwendung. Diese lautete wie folgt:

"7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in €) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in € im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt.

Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen - Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 - notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichen sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zu der Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstaben g. im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderungen mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor ei...

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