Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Beitragserstattung. selbständiger Rechtsanwalt. Berechtigung zur freiwilligen Versicherung. Neuregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 210 Abs 1a SGB 6 verstößt weder gegen Art 3 Abs 1 GG noch gegen Art 14 GG.

2. Eine durch § 210 Abs 1a SGB 6 erfolgende Ungleichbehandlung von selbständigen und angestellten Rechtsanwälten beruht auf einem sachlichen Grund, der sich im Rahmen des dem Gesetzgeber hierbei zukommenden Gestaltungsspielraums hält.

3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit Wirkung zum 11.8.2010 in § 210 Abs 1a SGB 6 eine Regelung der Besitzstandswahrung geschaffen hat, die nur den Personenkreis privilegiert, dem vor dem 11.8.2010 ein Anspruch auf Beitragsrückerstattung offen stand, welcher durch Änderung des § 7 Abs 2 SGB 6 in Verbindung mit § 210 Abs 1 Nr 1 SGB 6, dh durch Erweiterung der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, ab dem 11.8.2010 weggefallen ist.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Beitragsrückerstattung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger war vom 1. September 1990 bis 15. Februar 1991, vom 1. März 1991 bis 30. September 1991 sowie vom 16. April 1997 bis zum 15. Juli 1997 rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Laut Wartezeitauskunft der Beklagten vom 18. Januar 2011 sammelte er in dieser Zeit insgesamt 17 Monate an Pflichtbeitragszeiten an. Seit 1999 ist der Kläger selbständig als Rechtsanwalt tätig. Freiwillige Beitragszahlungen an die Beklagte erfolgten nicht.

Am 28. Dezember 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der von ihm entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 210 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI). Der Kläger sei als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei selbständig tätig. Es liege daher keine Versicherungspflicht im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vor. Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk allein sei kein Befreiungstatbestand. Eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei weder möglich noch erforderlich. Für den Kläger bestehe das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ob tatsächlich freiwillige Beiträge gezahlt worden seien, sei unerheblich. Die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung seien daher nicht erfüllt.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Februar 2011 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, die gesetzliche Neuregelung des § 210 Abs. 1 a SGB VI verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da sie ihn als selbständigen Rechtsanwalt unangemessen und sachgrundlos benachteilige. Vor dem 11. August 2010 habe sich die Rechtslage so dargestellt, dass angestellte Rechtsanwälte, welche durch Gesetz ab ihrer Zulassung dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte angehörten, nach § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ihre bisher gezahlten Beiträge zurückfordern konnten, wenn sie die gesetzliche Wartezeit von 60 Monaten noch nicht erfüllt hatten. Als Angehörige des Versorgungswerkes galten sie als nicht versicherungspflichtig und hatten auch kein Recht zur freiwilligen Versicherung, da dies nach § 7 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 10. August 2010 gültigen Fassung (a.F.) ausgeschlossen gewesen sei. Da § 7 Abs. 2 SGB VI a.F. nach dessen Satz 2 nicht für selbständig Tätige galt, konnten deren Beiträge nicht zurückgefordert werden. Die Rechtsprechung habe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung seinerzeit mit dem Argument abgelehnt, selbständig tätige Rechtsanwälte seien im Vergleich zu ihren angestellten Kollegen privilegiert, da ihnen die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung offen gestanden habe und somit weitere Beiträge einzahlen konnten, um die Wartezeitgrenze von 60 Monaten zu erfüllen und somit mehr von ihren Beiträgen zu haben als ihre angestellten Kollegen. Zum 11. August 2010 habe der Gesetzgeber nun angestellten Rechtsanwälten ermöglicht, sich ebenfalls freiwillig zu versichern, auch wenn sie die gesetzliche Wartezeit noch nicht erfüllt hatten. Da der Gesetzgeber diesen Rechtsanwälten aber die Möglichkeit der Erstattung von Beiträgen nicht habe nehmen wollen, habe er § 210 Abs. 1a SGB VI eingefügt, der jedoch nicht für selbständig Tätige gelte. Hierdurch habe der Gesetzgeber nunmehr eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund geschaffen. Während die angestellten Rechtsanwälte nun wählen könnten, ob sie sich freiwillig weiterversichern oder ihre Beiträge erstatten lassen, sei dies einem selbständigen Rechtsanwalt weiterhin verwehrt. Dieser habe nur die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung. Ansonsten müsse er bis zu seinem Renteneintrittsalter warten, bis er seine Beiträge zurückbekomme, was aus inflationären Gesichtspunkten eine...

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