Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Erhebung einer Anfechtungsklage gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Hinzuverdienst. Krankengeldzuschuss
Leitsatz (amtlich)
1. Wird nach Erhebung einer Anfechtungsklage gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherten eröffnet, wird das gerichtliche Verfahren unterbrochen.
2. Im Fall des Bestreitens der Rückforderung durch den Insolvenzverwalter richtet sich die Fortführung des gerichtlichen Verfahrens nach § 179 InsO.
3. Der angegriffene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid stellt einen Schuldtitel iS von § 179 Abs 2 InsO dar; gleichwohl ist nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch der rückfordernde Sozialleistungsträger zum Betreiben der Feststellung befugt. Das Betreiben der Feststellung erfolgt durch Aufnahme des gerichtlichen Verfahrens mit unveränderten Anträgen. Kläger ist der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter des Versicherten.
4. Bei dem vom Arbeitgeber zur Aufstockung des Kranken- oder Übergangsgeldes gezahlten Krankengeldzuschuss handelt es sich um Arbeitsentgelt iS des § 96a SGB 6 iVm § 14 SGB 4.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz 4 vgl LSG Essen vom 14.6.2016 - L 18 R 324/15 = juris RdNr 25.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 13. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung und Rückforderung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die 1955 geborene C. (im Folgenden: Versicherte) arbeitete zunächst als Bürogehilfin und absolvierte von August 1980 bis Juni 1982 eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Seit April 1983 arbeitet sie in der Kommunalverwaltung, seit August 1986 im Bauamt.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2009 bewilligte die Beklagte der Versicherten ab Mai 2009 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wobei wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen zunächst keine Zahlungen geleistet wurden.
Ab August 2009 sank das Einkommen der Versicherten wegen einer Verringerung der Arbeitszeit, so dass die Beklagte auf Grundlage eines Rentenbescheides vom 5. August 2009 ab August 2009 eine Rente zahlte.
Mit Bescheid vom 18. April 2012 berechnete die Beklagte die Rente der Versicherten ab 1. Januar 2011 neu. Es ergab sich für die Zeit ab Mai 2012 ein monatlicher Zahlbetrag von 493,09 Euro.
Im Februar 2013 stellte die Beklagte Ermittlungen zum tatsächlichen Einkommen der Versicherten im vorangegangenen Jahr an. Diese ergaben, dass die Versicherte vom 9. August 2012 bis zum 8. März 2013 arbeitsunfähig erkrankt war. In diesem Zeitraum hatte sie Krankengeld bzw. Übergangsgeld nach einem monatlichen Bemessungsentgelt von 2.188,80 Euro erhalten. Ihr Arbeitgeber hatte außerdem einen Zuschuss zum Krankengeld gezahlt. Das vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt hatte sich im August 2012 auf 682,67 Euro, im September 2012 auf 203,33 Euro, im Oktober 2012 auf 2.127,33 Euro, im November 2012 auf 2.172,93 Euro, im Dezember 2012 auf 731,11 Euro, im Januar und Februar 2013 auf jeweils 229,73 Euro und im März 2013 auf 1.693,33 Euro belaufen.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der Rente machte die Versicherte mit Schreiben vom 18. Mai 2013 geltend, die Zuschüsse ihres Arbeitgebers zum Krankengeld seien nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Außerdem habe sie das Geld gutgläubig verbraucht, insbesondere weil ihr durch ihre schwerbehinderte und drogenabhängige Tochter seit über zwei Jahren laufend erhebliche Kosten entstünden und sie sich habe verschulden müssen.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2013 berechnete die Beklagte die Rente der Versicherten wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2012 abermals neu, wodurch sich ab 1. Juli 2013 ein Zahlbetrag von 504,56 Euro ergab. Außerdem hob sie den Bescheid vom 18. April 2012 hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. Oktober 2012 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) auf und forderte einen Betrag in Höhe von 2.014,88 Euro nach § 50 SGB X zurück (Rückforderung für Oktober bis Dezember 2012 in Höhe von jeweils 503,86 Euro = 1.511,58 Euro; für Januar bis Februar 2013 jeweils 251,65 Euro = 503,30 Euro). Zur Begründung wurde ausgeführt, die maßgebende Hinzuverdienstgrenze sei auch dann zu beachten, wenn anstelle von Arbeitsentgelt Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen (z. B. Krankengeld) bestehe. Für die Höhe des Hinzuverdienstes sei aber nicht die Sozialleistung selbst, sondern das dieser Leistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt maßgeblich. Zuschüsse des Arbeitgebers zu Sozialleistungen, zum Beispiel einem Kranken- oder Übergangsgeld, seien Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) und daher als Hinzuverdienst zu berücksichtigen und ggf. zur Sozialleistung zu addieren. Auf Vert...