Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist für die Erhebung einer Entschädigungsklage

 

Orientierungssatz

1. Für die Erhebung einer Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer gilt nach § 198 Abs. 5 S. 2 GVG eine Klagefrist von sechs Monaten.

2. Dabei handelt es sich um eine Klagefrist mit materieller Ausschlusswirkung. Die Versäumung der Frist führt dazu, dass der materiell-rechtliche Anspruch auf Entschädigung erlischt. Wegen des Charakters einer absoluten Ausschlussfrist ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.

3. Weder die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG noch eine Restitutionsklage nach § 586 ZPO können den Eintritt der Rechtskraft hemmen. Beide ändern nichts an der formellen eingetretenen Rechtskraft.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.09.2017; Aktenzeichen B 10 ÜG 18/17 C)

BSG (Beschluss vom 18.05.2017; Aktenzeichen B 10 ÜG 3/17 BH)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 1200,- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung infolge einer von dem Kläger geltend gemachten unangemessenen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens, und zwar das Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG).

Der 1970 geborene Kläger erlitt im Jahr 1991 einen Schulsportunfall und 1994 einen Autounfall. Er leidet an verschiedenen Behinderungen und Gesundheitsstörungen unter anderem funktionelle Blindheit des rechten Auges und Kniegelenksbeschwerden. Nach dem Abitur 1991 nahm er ein Studium auf zunächst für das Lehramt (Geografie und Chemie), dann studierte er Chemie und Politik bis zum Abbruch 1996/1997, um Rechtswissenschaften zu studieren, dieses Studium schloss er nicht ab.

Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 21. Januar 2005 beantragte der Kläger bei dem Landkreis M. die Gewährung "einer 36-monatigen Ausbildung im Berufsförderungswerk (BFW) C-Stadt zum Diplom Betriebswirt (FH) beginnend zum WS 2005/2006", die Gewährung eines persönlichen Budgets zur Deckung des Lebensunterhaltes, der Ausbildungskosten, der Unterkunftskosten, der Reisekosten usw. und "die Anmeldung in der genannten Bildungseinrichtung zur Abklärung der persönlichen Eignung und der Erforderlichkeit eines eventuell notwendigen 6-monatigen Praktikums vor Beginn der Ausbildung". Mit weiterem Schreiben vom 31. Januar 2005 forderte er den Landkreis M. auf, ihn unverzüglich im BFW C-Stadt anzumelden. Mit Schreiben (Bescheid) vom 3. März 2005 teilte der Landkreis M. mit, dass die Agentur für Arbeit für ihn zuständig sei. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass der Kläger bereits einen Antrag auf Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben bei der Agentur für Arbeit am 9. Juli 2001 gestellt hatte, der mit Bescheid vom 9. Januar 2004 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden war. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht (L 6 AL 98/10 ZVW) nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2011 zurück. Zwischenzeitlich bestand Streit über die Zuständigkeit für den Kläger zwischen der Agentur für Arbeit und dem Landkreis M.. Der Kläger stellte neue Anträge auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Zwischenzeitlich stellte der Kläger auch einen Antrag auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, worauf er amtsärztlich am 27. April 2005 untersucht wurde. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte der Kläger den Beklagten erneut auf, ihn für die Ausbildung zum Betriebswirt unverzüglich beim BFW C-Stadt anzumelden. Mit weiteren Schreiben vom 20. Juli 2005 äußerte der Kläger, der Landkreis M. habe seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht unverzüglich an die Agentur für Arbeit weitergeleitet. Der Landkreis M. vertrat die Auffassung, dass er kein Reha-Träger nach dem SGB II sei.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2005 bewilligte der Landkreis M. Leistungen nach dem SGB II. Hiergegen legte der Kläger wiederum Widerspruch ein.

Am 5. September 2005 erhob der Kläger Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Marburg. Mit Bescheid vom 21. November 2005 bewilligte der Landkreis M. Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte wiederum Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Landkreis M. wies mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2005 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juni 2005 und mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2006 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. November 2005 zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 3. März 2005 zurück und führte aus, die Weiterleitung des Antrages des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei zu Recht erfolgt.

Im Klageverfahren vor dem Sozi...

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