Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Regelung des § 3 Abs 1 S 1 der Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung (juris: ErwHVGrs HE). Verstoß gegen Honorarverteilungsgerechtigkeit
Orientierungssatz
Die Regelung des § 3 Abs 1 S 1 ErwHVGrs HE verstößt gegen Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG, soweit sie keine Sachkostenabzüge vorsieht und damit in unangemessener Weise das weitgehend ungekürzte Honorar der Beitragsbemessung zu Grunde legt, ohne die mit der allein umsatzbezogenen Betrachtung einhergehende ungleiche Belastung in anderer Weise zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin und die Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung der EHV-Beitragsklasse 2 und des EHV- Beitrags in Höhe von 1.254,00 EUR je Quartal für das Beitragsjahr 2012/2013, was einem Jahresbetrag von 5.016,00 EUR entspricht, nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (GEHV).
Die Klägerin ist als Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie seit dem 2. Mai 2001 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte stufte die Klägerin mit Bescheid vom 31. August 2012 in die Beitragsklasse 2 der EHV für den Zeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 ein. Den Beitrag setzte sie je Quartal (III/12 bis II/13) auf 1.254,00 EUR fest. Zur Begründung verwies sie auf die Neufassung der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung (GEHV). Danach sei die Höhe des zu leistenden Betrages abhängig von dem erzielten Honorar aus ärztlicher Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für das hier strittige Beitragsjahr würden die erzielten Honorare aus dem Jahr 2010 herangezogen werden. Insgesamt würden 9 Beitragsklassen festgelegt werden. Die konkrete Zuordnung zur Beitragsklasse erfolge über das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars zum Durchschnittshonorar. Im Jahr 2010 habe das Gesamthonorar der Klägerin 56.591,14 EUR betragen, das Durchschnittshonorar 205.398,02 EUR. Der Anteil des klägerischen Honorars am Durchschnittshonorar betrage 27,55 %, woraus sich die ermittelte Beitragsklasse 2 ergebe.
Hiergegen legte die Klägerin am 26. September 2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, bei einer Gesamtvergütung von 9.746,75 EUR im Quartal III/12 stelle die Höhe des EHV- Beitrags von 1.254,00 EUR (12,86 %) eine besondere Härte dar. Da sie gleichzeitig die Beiträge an das Versorgungswerk (1.850,25 EUR) und die Krankenkasse (1.660,23 EUR) abführe, verblieben vor Abzug von Steuern und anderen Kosten lediglich 4.991,27 EUR Quartalseinkommen. Dies als Generationengerechtigkeit zu propagieren, empfinde sie als Mutter zweier schulpflichtiger Kinder als zynisch und ungerecht. Sie liege knapp über der Schwelle zur Beitragsklasse 1 und bitte deshalb für das Quartal III/12 um Umgruppierung in die Beitragsklasse 1.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Reform der EHV sei angesichts einer wachsenden Anzahl von EHV-Empfängern und einer gleichzeitig abnehmenden Anzahl von Einzahlern erforderlich geworden. Mit der aktuellen Neufassung habe sie u.a. ein Beitragsklassenmodell eingeführt. Jeder aktive Vertragsarzt werde danach in eine der neun Beitragsklassen eingestuft. Grundlage für die Einstufungen in die jeweilige Beitragsklasse bilde das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars zum Durchschnittshonorar aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler). Das für den Beitrag maßgebliche Honorar der Klägerin im Jahr 2010 stelle sich wie folgt dar:
|
Quartal |
Honoraranteile 2010 (in Euro) |
Bruttohonorar PK+EK |
Korrekturen |
AImax |
EHV befreit |
Gesamt |
I/2010 |
15.150,01 |
0 |
0 |
0 |
15.150,01 |
II/2010 |
14.081,91 |
0 |
0 |
0 |
14.081,91 |
III/2010 |
13.807,68 |
0 |
0 |
0 |
13.807,68 |
IV/2010 |
13.551,54 |
0 |
0 |
0 |
13.551,54 |
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Gesamt |
56.591,14 |
Sie habe daher den quartalsmäßigen Betrag korrekt festgesetzt. Die EHV sei als Umlagesystem organisiert. Der Vertragsarzt müsse daher in der aktiven Phase hinnehmen, dass seine Vergütung gemindert werde, um aus dem nicht verteilten Betrag die Versorgung von invaliden und alten Ärzten sowie Hinterbliebenen zu finanzieren. Dafür erwerbe er Teilhabeansprüche an dem zukünftig erwirtschafteten Honorar der Vertragsärzte in Form von Punkten, die grundsätzlich wiederspiegelten, wie sich sein für die EHV relevantes Honorar zum Durchschnittshonorar verhalte. Es folge kein Anspruch auf eine bestimmte Höhe des Zahlbetrages, sondern lediglich ein Teilhabeanspruch im Rahmen der Aufteilung der Gesamtvergütung. Den Mitgliedern eines im Umlageverfahren betriebenen Pflichtversicherungssystems seien in einem gewissen Umfang auch höhere Beiträge zuzumuten, wenn dies zur Finanzierung der erworbenen...