Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 27.7.2022 - L 4 KA 16/22, welches vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 28. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Beitragsfestsetzung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten bezüglich der Quartale 3/2019 bis 4/2020.
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin niedergelassen mit Praxissitz in A-Stadt. Er ist ausschließlich privatärztlich tätig und kein Mitglied der Beklagten. Durch Bescheid vom 18. September 2019 setzte die Beklagte die Beiträge zur Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) für die Quartale 3/2019 und 4/2019 in Höhe von insgesamt 1500 € fest. Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. September 2019 Widerspruch ein. Durch weiteren Bescheid vom 9. März 2020 setzte die Beklagte Beiträge zur Finanzierung des ÄBD für die Quartale 1/2020 - 4/2020 in Höhe von insgesamt 3000 € fest. Auch dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 25. März 2020 Widerspruch ein. Durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2020 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. In der Begründung legte die Beklagte dar, dass der Kläger als Privatarzt die Pflicht habe, am ÄBD der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Er sei als Privatarzt im Sinne von § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz (HeilBG), i.V.m. § 26 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) und i.V.m. § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) verpflichtet zur Kostenbeteiligung. Die Finanzierung des ÄBD erfolge in mehreren Stufen. Auf die Leistungen im ÄBD erhebe die KV zunächst einen allgemeinen einheitlichen Abzug (Betriebskostenabzug) von 35 % des Anteils des ordnungsgemäß abgerechneten, anerkannten und geregelten Honorars (§ 8 Abs. 1 BDO). Als nächste Finanzierungsstufe werde zusätzlich ein jeweils einheitlicher ÄBD-Betrag unter den abrechnenden Ärzten und Psychotherapeuten sowie ermächtigten Krankenhausärzten (§ 8 Abs. 2 BDO) und ein Kostenbeteiligungsbeitrag von allen in eigener Praxis tätigen Privatärzten (§ 8 Abs. 3 BDO) erhoben. Während sich bei den vertragsärztlichen Leistungserbringern der ÄBD-Betrag als Honorarabzug ermittele, werde bei Privatärzten die Beitragsfestsetzung abweichend vorgenommen. Die KV verfüge über keine Möglichkeit, bei Privatärzten Kenntnis über die Höhe des jährlichen Bruttoeinkommens aus ärztlicher Tätigkeit zu erlangen, weswegen die Kostenbeteiligungspflicht bei Privatärzten - anders als bei Beitragspflichtigen nach § 8 Abs. 2 BDO - nicht generell als prozentualer Abzug zum Honoraranspruch ausgestaltet sei. Dieser Besonderheit werde insoweit Rechnung getragen, als die Regelung des § 8 Abs. 3 der BDO zwei Möglichkeiten zur Beitragsbemessung bei dieser Gruppe von Normadressaten vorsehe und dem Privatarzt ein Wahlrecht belasse, wie die nach § 23 Nr. 2 HeilBG zu entrichtenden Beiträgen bemessen werden sollten. Die KV berücksichtige mit der Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung die unterschiedlichen Lebens- und Praxisplanung und damit die individuellen Einkommensverhältnisse der Privatärzte, indem die KV auf schriftlichen Antrag eine prozentuale Beitragsberechnung einräume. Die Berechnungsweise entspreche dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz, da die Berechnung sich auf schriftlichen Antrag nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen richte. Zudem werde die finanzielle Last des einzelnen Arztes auf einem Höchstbeitrag begrenzt. Aus den nach § 8 Abs. 1 bis 3 BDO erhobenen Beiträgen finanziere die KV den gesamten Aufwand des ÄBD. Durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD verwirkliche die KV den landesgesetzlichen Auftrag aus § 23 Nr. 2 HeilBG. Das entsprechende Handeln der KV steht im Einklang mit der Auffassung des Ministeriums für Soziales und Integration und sei auch mit der Landesärztekammer Hessen abgestimmt.
Dagegen hat der Kläger am 24. September 2020 Klage bei dem Sozialgericht Marburg erhoben. Er hat erstinstanzlich vorgetragen, die sich aus dem HeilBG ergebende Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV sei berufsrechtlich nicht wirksam umgesetzt worden. Dies wäre möglich gewesen durch eine Bereitschaftsdienstordnung der Ärztekammer oder durch eine gemeinsame Bereitschaftsdienstordnung von KV und Ärztekammer. Sofern der Bereitschaftsdienst gemeinsam von Ärztekammer und KV organisiert werde, seien auch die Privatärzte grundsätzlich zum Dienst verpflichtet. Vorliegend gehe es um eine die ärztliche Berufsausübung betreffende Frage. Privatärzte seine Mitglieder der Ärztekammer und nicht der Beklagten. Denkbar wäre allenfalls eine von der Ärztekammer und KV gemeinsam erstellte Notdienstordnung. Grundlage für den berufsrechtlichen Status des Arztes sei die Bundesärzteordnung, die entgegen ihrer Bez...