Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Kind. Wohnsitz. Aufenthalt. Ausland. Sozialstaatsprinzip. Rechtsstaatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versagung von Kindergeld für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) haben (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978 – BGBl. I S. 1757), verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3; BKGG vom 14. November 1978 (BGBl. I S. 1757) § 2 Abs. 5

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.01.1980; Aktenzeichen S-14/Kg-43/79)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Januar 1980 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Kindergeld in voller Höhe für die Zeit ab Januar 1979.

Er ist spanischer Staatsangehöriger und hält sich seit dem 15. Januar 1964 ununterbrochen rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er hat zwei hier geborene Kinder (M., geb. am 17. Mai 1969; Y., geb. am 27. Januar 1977), die am 1. August 1977 zusammen mit ihrer Mutter nach Spanien zurückgekehrt sind und sich seitdem dort ständig aufhalten. Für diese Kinder erhält er Kindergeld in der nach Art. 40 Abs. 1 Nr. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 (BGBl. 1977 II S. 687) vorgesehenen Höhe.

Am 3. April 1979 beantragte er mit der Begründung, daß er nunmehr seit Januar 1979 15 Jahre lang in der Bundesrepublik lebe und hier die vollen Steuern zahle, die Gewährung des vollen Kindergeldes in der in § 10 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) festgesetzten Höhe. Mit Bescheid vom 2. Mai 1979 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab mit der Begründung, gemäß § 2 Abs. 5 BKGG in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978 (BGBl. I S. 1757) bestehe seit dem 1. Januar 1979 kein Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG haben. Auch die Übergangsregelung des Art. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978 finde keine Anwendung, da der Kläger erst im Januar 1979 die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 5 BKGG alter Fassung – a.F. – (15-jähriger Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG) erfüllt habe. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser einen Verfassungsverstoß geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 1979, zugestellt am 31. August 1979, als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Klageschrift vom 1. Oktober 1979, die den Posteingangsstempel des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Oktober 1979 trägt, hat der Kläger Klage erhoben. Sein Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt G. hat versichert, er habe die Klageschrift am späten Nachmittag des 1. Oktober 1979 persönlich in den Nachtbriefkasten des Sozialgerichts Frankfurt am Main eingeworfen. Im einzelnen wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Januar 1980 verwiesen.

In der Sache selbst hat der Kläger geltend gemacht, die gesetzliche Neuregelung, auf die sich die Beklagte berufe, verstoße gegen Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 3 und 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG); die unterschiedliche Behandlung von deutschen und ausländischen Arbeitnehmern, die hier ebenfalls ihre Steuern zahlten, sei nicht gerechtfertigt, sondern willkürlich. Die Beklagte hat demgegenüber an der Begründung ihrer Bescheide festgehalten.

Mit Urteil vom 9. Januar 1980 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen, wobei es von deren Zulässigkeit ausgegangen ist, da nicht auszuschließen sei, daß ein technisches Versagen der Postzugangseinrichtung des Sozialgerichts Frankfurt am Main vorliege. In der Sache selbst sei die Klage jedoch unbegründet, da dem Kläger kein Anspruch auf volles Kindergeld zustehe. Gegen die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen, die die Beklagte zutreffend angewandt habe, bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedeute keine grundgesetzwidrige unsachliche Differenzierung, wenn Eltern, deren Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des BKGG haben, hinsichtlich der Kindergeldberechtigung anders behandelt werden als Eltern, deren Kinder im Geltungsbereich des BKGG leben. Aus dem Ziel des Kindergeldes, einen Familienlastenausgleich zu schaffen, sei zu folgern, daß der maßgebliche Gesichtspunkt nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen sei, sondern daß die Begünstigung der Familie im Vordergrund stehe, in der das Kind dauernd lebe. Darüber hinaus stelle das Territorialitätsprinzip, das der gesetzlichen Neuregelung des § 2 Abs. 5 BKGG zugrunde liege, eine Differenzierung dar, die nicht sachfremden Erwägungen entspringe. Auch Art. 6 Abs. 1 GG zwinge den Gesetzgeber nicht, jede die Familie treffende ...

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