Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit während einer Haftzeit. Zuweisung der Arbeit durch Haftanstalt. Verletztengeldbezug infolge eines Arbeitsunfalls im Rahmen des Strafvollzugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung infolge der Zahlung von Verletztengeld nach § 3 S 1 Nr 3 SGB 6 tritt nur ein, wenn der Zahlung von Verletztengeld ein freigewähltes Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, an dem es bei einer Tätigkeit im Rahmen des Strafvollzugs nach §§ 41, 43 StVollzG aber fehlt. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck des § 3 S 1 Nr 3 SGB 6.

2. In einem solchen Fall, in dem die eigentliche “Beschäftigung„ keine Versicherungspflicht begründet, kann der infolge des Arbeitsunfalls im Rahmen des Strafvollzugs entstehende Anspruch auf Verletztengeld als Lohnersatzleistung keinen weitergehenden rentenversicherungsrechtlichen Schutz vermitteln.

 

Orientierungssatz

Die Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung setzt gem § 190 StVollzG eine besondere bundesgesetzliche Regelung gem § 198 StVollzG voraus (vgl LSG Mainz vom 13.8.2008 - L 4 R 67/08), an der es bisher fehlt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2016; Aktenzeichen B 5 RE 2/16 R)

BSG (Urteil vom 15.10.2016; Aktenzeichen B 5 RE 2/16 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für den Beigeladenen Beiträge zur Rentenversicherung abzuführen sind, da er während einer Haftzeit Verletztengeld bezog.

Die Beklagte führte in der Zeit vom 10. bis zum 14. März 2008 bei der Klägerin eine Prüfung der Beitragsentrichtung für sonstige Versicherte nach § 212a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2007 durch.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 17. Juli 2008 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 gegen die Klägerin eine Beitragsforderung für 10 namentlich benannte Personen in Höhe von 123,81 € fest; hiervon entfielen auf den Beigeladenen 14,40 €. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass für Verletztengeldbezieher im Strafvollzug (§ 45 ff. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch 2 Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) abgeführt worden seien. Für diese Personen bestehe jedoch Versicherungspflicht. Nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI seien Personen in der Zeit versicherungspflichtig, für die sie von einem innerstaatlichen Leistungsträger Verletztengeld und Übergangsgeld bezögen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig gewesen seien. Diese Versicherungspflicht trete unabhängig von der Höhe der Entgeltersatzzahlung ein. Die Vorschrift über die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs. 2 SGB VI) finde keine Anwendung auf Bezieher von Entgeltersatzleistungen. Sie habe die Klägerin in ihrer früheren Prüfmitteilung vom 24. Februar 2006 aufgefordert, für Verletztengeldbezieher im Strafvollzug die Versicherungspflicht in der GRV zu prüfen und ggf. Beiträge abzuführen. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 mitgeteilt, sie schließe sich 2 nach Rücksprache mit ihrem Bundesverband und anderen Trägern der öffentlichen Unfallversicherung 2 der Rechtsauffassung an, dass für Bezieher von Verletztengeld im Strafvollzug keine Versicherungspflicht in der GRV bestehe. Verletztengeldbezieher mit einer Vorpflichtversicherung dürften gegenüber Häftlingen ohne diese Vorpflichtversicherung nicht bessergestellt werden. Dieser Auffassung der Klägerin stehe entgegen, dass die Versicherungspflicht in der GRV kraft Gesetzes eintrete. Zwar bestehe für Strafgefangene allgemein in der GRV keine Versicherungspflicht. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass Verletztengeldempfänger den kraft Gesetzes erworbenen Anspruch während der Haft verlören. Ihre Prüfung habe ergeben, dass in den 10 nachverbeitragten Fällen die Vorpflichtversicherung erfüllt gewesen sei und somit eine Versicherungspflicht gem. § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestehe.

Dagegen hat die Klägerin am 11. November 2008 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheides der Beklagten und der Feststellung erhoben, dass keine Pflicht zur Beitragsentrichtung bestehe.

Die Klägerin hat ausgeführt, der vorliegenden Rechtsstreit betreffe Häftlinge, die von § 43 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) erfasst seien und Verletztengeld wegen eines Versicherungsfalls (§ 43 StVollzG, § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII) erhielten. Die Beklagte gehe jedoch fehl in der Annahme, die Gewährung von Verletztengeld in diesen Fällen habe die Versicherungspflicht in der GRV nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zur Folg...

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