Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung zur Frage der Ersatzleistung wegen Verstoßes gegen das Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise
Leitsatz (amtlich)
Bei dieser Frage darf nicht eine einzelne Leistungsgruppe – wie hier Sonderleistungen – für sich allein betrachtet werden, jedenfalls dann nicht, wenn der Kassenarzt in anderen Bereichen (Arzneikosten, Krankenhauseinweisungen, Arbeitsunfähigkeitstage und -fälle) Ersparnisse erzielt hat.
Bei der Prüfung der kassenärztlichen Behandlungs- u. Verordnungsweise ist vielmehr die Wirtschaftlichkeit der gesamten Tätigkeit des Kassenarztes zu berücksichtigen. Dabei ist bei der Praxis eines praktischen Arztes, die einen starken internistischen Einschlag hat, dem Rechnung durch einen Zuschlag zu tragen, der etwa zwischen dem Gesamtdurchschnitt der praktischen Ärzte und der Internisten liegen sollte.
Einem Internisten kann ein so praktizierender praktischer Arzt nicht gleichgestellt werden, was es ausschließt, ihn mit dem Durchschnitt der Internisten zu vergleichen.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 4, § 368e; Landesmantelvertrag (Hess.) § 22 Abs. 4
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.04.1970) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 29. April 1970 und die Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1965, 14. November 1966, 2. August 1967, 13. Februar 1968 und 28. Oktober 1968 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist als praktischer Arzt in W. zur Kassenpraxis zugelassen.
Hinsichtlich der RVO-Kassenabrechnung für das 4. Quartal 1964 machte er bei einer Fallzahl von 443 einen Betrag von 1.717,10 DM für große Sonderleistungen geltend. Der Prüfungsausschuß nahm daraufhin mit Bescheid vom 10. Mai 1965 eine Honorarkürzung an der Forderung für große Sonderleistungen von 429,20 DM vor, da der errechnete Fallwert von 26,05 DM erheblich über dem Gruppenfallwert von 16,40 DM liege. Die durchgeführte Honorarabänderung betrage 25 v.H. Auf den Widerspruch des Klägers teilte die Prüfungsausschußwiderspruchsstelle am 16. Juli 1965 mit, seinem Widerspruch könne nicht stattgegeben werden. Es seien in einer Vielzahl von Fällen in einem Übermaß diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden, die andererseits ohne therapeutische Konsequenz geblieben seien. Die Prüfung habe auch gezeigt, daß er bei gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen ohne erheblichen Laboraufwand auskomme. Diese Mitteilung erkannte der Kläger nicht an, so daß es zu dem Beschluß des Beschwerdeausschusses für Ärzte vom 11. Januar 1966 kam, mit dem sein Widerspruch gegen den Honorarkürzungsbescheid IV/64 des RVO-Prüfungsausschusses bei der Bezirksstelle W. vom 10. Mai 1965 als unbegründet zurückgewiesen wurde, da er mit seiner Honorarforderung pro Behandlungsfall den Durchschnittssatz seiner Fachgruppe um rund 59 v.H. überschritten habe. Die eingehende Einzelfallprüfung habe ergeben, daß die ausgesprochene Honorarkürzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach durch eine nicht zu übersehende Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise gerechtfertigt sei. Besonders seien Fälle mit einem völlig unmotivierten hohen diagnostischen Aufwand häufig zu finden. Die vom Kläger angeführten angeblichen Besonderheiten seiner Praxisführung hätten nicht als ausreichende Rechtfertigung für die Überhöhung seiner Honorarforderung anerkannt werden können. Er liege in allen Bereichen über dem Gruppendurchschnittswert. Auf dem Sektor der großen Sonderleistungen habe er den Gruppendurchschnitt um 1000 v.H. überschritten. Durch die Kürzung der Honorarforderung für große Sonderleistungen nur um 25 v.H. sei allen eventuellen Besonderheiten und Einsparungen in der Gesamtpraxisführung ausreichend Rechnung getragen worden. Sie sei mit 429,20 DM im Verhältnis zu der verbleibenden Gesamthonorarforderung von 11.112,95 DM angemessen.
Bei einer Fallzahl von 360 Fällen nahm der Prüfungsausschuß hinsichtlich der RVO-Kassenabrechnung für das 2. Quartal 1966 mit Bescheid vom 14. November 1966 eine Honorarabänderung von 1.138,95 DM vor, da die Honorarforderung für Sonderleistung mit 7.593,– DM mit einem Fallwert von 21,09 DM um mehr als 300 v.H. über dem Gruppendurchschnitt von 6,37 DM gelegen habe. Dabei sei ein Fallwert von 26,96 DM gegenüber einem Gruppendurchschnitt von 21,24 DM anerkannt worden.
Die Honorarabänderung im Rahmen der RVO-Kassenabrechnung für das 1. Quartal 1967 setzte der Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 2. August 1967 mit 807,21 DM fest, da bei einer Fallzahl von 430 gegenüber 554 der Gruppe die durchschnittliche Honorarforderung pro Patient 29,90 DM gegenüber einem Fachgruppendurchschnitt von 21,23 DM ausgemacht habe. In einem offensichtlichen Mißverhältnis zum Fachgruppendurchschnitt habe dabei erneut die Forderung für Sonderleistungen mit einem Fallwert von 18,77 DM zu 5,91 DM der Gruppe gestanden.
Auch für das 3. Quartal 1967 ...