Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. medizinische Voraussetzung. belastungskonformes Schadensbild. 10-Jahresintervall. Anlageleiden. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Krankenpfleger

 

Orientierungssatz

1. Zur Nichtanerkennung einer bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung eines Krankenpflegers als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 2108 mangels Vorliegens der zeitlichen Belastungskonformität des Schadensbildes bzw wegen Nichtvorliegens eines wenigstens 10jährigen Intervalls zwischen dem Beginn der beruflichen Belastung und dem Auftreten der klinischen und röntgenologischen Bandscheibenschadensymptomatik.

2. Der ursächliche Zusammenhang ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist und eine berufliche Verursachung ist auch nicht schon dann anzunehmen, wenn anlagebedingte bzw außerberufliche Ursachen nicht sicher identifiziert werden. Vielmehr ist der ursächliche Zusammenhang mit beruflichen Belastungseinwirkungen anhand zusätzlicher Merkmale positiv festzustellen und zu begründen (vgl LSG Celle vom 27.9.2001 - L 6 U 358/00 = HVBG-RdSchr VB 35/2002).

3. Die wesentlichen für die Beurteilung des Ursachenzusammenhanges maßgeblichen Kriterien sind: Das Krankheitsbild, insbesondere in Form eines die Altersnorm überschreitenden Wirbelsäulenbefundes einerseits und eines belastungskonformen Schadensbildes andererseits, das Bestehen einer konstitutionellen Veranlagung bzw weitergehender konkurrierender Erkrankungen sowie die Eignung der belastenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit, biomechanische Begleitumstände wie Körperhaltung und zur Verfügung stehende Hilfsmittel, individuelle Konstitution und zeitliche Korrelation zwischen Erkrankungsverlauf und beruflichen Überlastungen.

4. Ein als belastungskonform zu bezeichnendes Schadensbild lässt nach älteren und neueren epidemiologischen Untersuchungen ein dem Lebensalter vorauseilendes Auftreten osteochondrotischer und spondylotischer Reaktionen am Achsenorgan bei körperlich überdurchschnittlich belasteten Personen erwarten mit einem von oben nach unten eher zunehmenden Schadensbild. Dabei tritt eine vorzeitige Osteochondrose bevorzugt in den unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule und eine vorzeitige Spondylose in den oberen Segmenten unter eventueller Einbeziehung der unteren Etagen der Brustwirbelsäule auf.

5. Die Feststellung einer wesentlich beruflich verursachten Schädigung der Lendenwirbelsäule ist nur dann möglich, wenn Lokalisation und zu erwartende Überbelastungswirkungen korrespondieren. Liegen hingegen an der gesamten Wirbelsäule gleichmäßig verteilte degenerative Veränderungen vor, so spricht dies gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigenden Einwirkungen und einer vorhandenen Gesundheitsstörung.

6. Degenerative Lendenbandscheibenerkrankungen sind auch ohne die seltenen konkurrierenden Ursachen als Folge einer prädisponierenden inneren Anlage in der Allgemeinbevölkerung soweit verbreitet, dass als weiteres positives Kriterium für die Anerkennung einer BK Nr 2108 in der gutachterlichen Praxis eine Konformität des konkreten Krankheitsbildes mit dem beruflichen topografischen und zeitlichen Belastungsprofil der LWS gefordert wird.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligen haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK).

Der im Jahre 1943 geborene Kläger war nach Tätigkeiten als Schreiner zwischen 1971 und 1976 Pflegepraktikant, Schüler der Krankenpflegehilfe, Krankenpflegehelfer und Schüler der Krankenpflegeschule. Seitdem war er als Krankenpfleger im Psychiatrischen Krankenhaus R beschäftigt.

Am 19. Juli 1993 erstatteten die Dres. B und E, L, eine ärztliche Anzeige über eine BK des Klägers, der an Rücken- und Kreuzschmerzen leide. Es bestünden osteochondrotische Veränderungen der Wirbelsäule sowie ein Bandscheibenvorfall L 4/5 rechts. Mit der Beiziehung ärztlicher Unterlagen sowie der Anforderung einer Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung leitete die Beklagte das Feststellungsverfahren ein. In ihrer Stellungnahme vom 30. August 1995 bejahte die Präventionsabteilung für die Zeit von 1976 bis 1991 das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Für die Zeit ab Juni 1991, in der der Kläger auf der Suchtstation des Krankenhauses arbeitete, wurden diese Voraussetzungen verneint.

In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 10. November 1995 gelangte Dr. N, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik F, zu dem Ergebnis, dass durch eine 1994 durchgeführte Versteifungsoperation eine evtl. vorher bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS behoben wor...

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