Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. medizinische Kriterien. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Anlageleiden. degenerative Veränderung. Maurer. Verputzer
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung eines Maurers und Verputzers, der bereits an Anlagestörungen an der Lendenwirbelsäule litt, als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 2108 mangels Vorliegens des ursächlichen Zusammenhangs der Erkrankung mit der beruflichen Belastung im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung.
2. Der ursächliche Zusammenhang ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist, und eine berufliche Verursachung ist auch nicht schon dann anzunehmen, wenn anlagebedingte bzw außerberufliche Ursachen nicht sicher identifiziert werden. Vielmehr ist der ursächliche Zusammenhang mit beruflichen Belastungseinwirkungen anhand zusätzlicher Merkmale positiv festzustellen und zu begründen.
3. Die wesentlichen für die Beurteilung des Ursachenzusammenhanges maßgeblichen Kriterien für eine Erkrankung iS von BKVO Anl 1 Nr 2108 sind: Das Krankheitsbild, insbesondere in Form eines die Altersnorm überschreitenden Wirbelsäulenbefundes einerseits und eines belastungskonformen Schadensbildes andererseits, das Bestehen einer konstitutionellen Veranlagung bzw weitergehender konkurrierender Erkrankungen sowie die Eignung der belastenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit, biomechanische Begleitumstände wie Körperhaltung und zur Verfügung stehende Hilfsmittel, individuelle Konstitution und zeitliche Korrelation zwischen Erkrankungsverlauf und beruflichen Überlastungen. Ein als belastungskonform zu bezeichnendes Schadensbild lässt nach älteren und neueren epidemiologischen Untersuchungen bei körperlich überdurchschnittlich belasteten Personen ein dem Lebensalter vorauseilendes Auftreten osteochondrotischer und spondylotischer Reaktionen am Achsenorgan erwarten mit einem von oben nach unten eher zunehmenden Schadensbild.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 2000 aufgehoben.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers als Berufskrankheit (BK).
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war vom 1. März 1950 bis zum 30. November 1993 als Maurer und Verputzer beschäftigt. Am 19. Juli 1994 beantragte er die Anerkennung und Entschädigung der bei ihm vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung als BK. Nach Beiziehung von Befundberichten der Dres. S, W und Sch sowie eines ärztlichen Entlassungsberichts der K-Klinik Bad S vom 4. Juni 1992, in dem angegeben ist, dass der Kläger u. a. wegen Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule nicht mehr in der Lage sei, den Beruf des Maurers auszuüben, legte die Beklagte die Unterlagen ihrem Beratungsarzt H vor. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 18. Oktober 1995 aus, bei dem Kläger bestehe eine generalisierte degenerative Veränderung des knöchernen Bewegungsorgans, weshalb eine BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Ein das alterstypische Maß überschreitendes oder den Veränderungen des unbelasteten übrigen Skelettsystems deutlich vorauseilendes Schadensbild liege bei dem Kläger nicht vor. Auch der Landesgewerbearzt beim Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung stellte in seiner Stellungnahme vom 24. November 1995 fest, dass sich beim Kläger eine BK der Nr. 2108 nicht ausreichend begründen lasse.
Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 13. Dezember 1995 die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Entschädigungsleistungen im Zusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers ab. Für die Anerkennung der BK nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS) lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Für die BK 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule -- HWS --) fehle es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen; der Kläger habe nicht langjährig Lasten auf der Schulter getragen.
Aufgrund des Widerspruchs des Klägers vom 8. Januar 1996 wandte sich die Beklagte an ihren Beratungsarzt Dr. H. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 21. Juni 1996 aus, dass bezüglich der BK 2108 keine belastungsadäquate Lokalisation vorliege. Die Segmente L 5/S 1 und L 4/5 zeigten keine altersnormüberschreitenden degenerativen Veränderungen. Im HWS-Bereich zeigten sich zudem stärkere Verschleißerscheinungen. Unter dem 9. Juli 1996 führte Dr. H bezüglich der BK 2109 aus, dass ein Zusammenhangsgutachten erfolgen solle, sofern die Angaben des Klägers über das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zu bestätigen seien.
Durch W...