Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsbeschränkung auf sechs Stunden täglich. nutzbringender Arbeitseinsatz. Aufklärung. Haushaltsbegleitgesetz. Erwerbsunfähigkeit. Versicherungsfall. sozialgerichtliches Verfahren. Beitragsnachentrichtung ärztlicher Gutachter. Beweisfragen. Vorsorge-Fürsorge. allgemeiner Erfahrungssatz
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte 1984 während eines sozialgerichtlichen Verfahrens braucht das Gericht die Wirksamkeit nachträglich entrichteter freiwilliger Beiträge für Januar bis Juni 1984 für diesen Versicherungsfall dann nicht zu prüfen, wenn der beklagte Versicherungsträger erklärt hat, er werde diese Beiträge für diesen Versicherungsfall als wirksam entrichtet berücksichtigen.
2. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, daß ärztliche Gutachter entgegen den Beweisfragen Gesichtspunkte der Vor- und Fürsorge in die Beurteilung einbeziehen.
Orientierungssatz
Es besteht keine Veranlassung für weitere Ermittlungen des Gerichts für den Fall, daß der ärztliche Gutachter aufgrund schlüssiger Befunde zu dem Ergebnis kommt, der Versicherte sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten bis 6 Stunden täglich zu verrichten, jedoch gleichwohl "einen nutzbringenden Arbeitseinsatz für möglich" hält.
Normenkette
RVO § 1247 Abs. 2a, § 1246 Abs. 2a; ArVNG Art. 2 § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 13.07.1983; Aktenzeichen S-2/J - 404/82) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juli 1983 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1982 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 1. Oktober 1984 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers der Berufungsinstanz zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um die Wiedergewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente ab 15. Juli 1983, hilfsweise um die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente.
Der Kläger ist am … 1924 geboren. Er hat keinen Beruf erlernt und war von 1940 bis 1942 und 1945 bis zuletzt 1965 als Arbeiter beschäftigt, überwiegend als Hilfsarbeiter. 1958 erlitt der Kläger einen schwerer privaten Motorradunfall, bei dem es unter anderem zu einem Oberschenkeltrümmerbruch rechts kam mit nachfolgender Osteomyelitis.
Mit früherem Bescheid vom 15. Dezember 1966 lehnte die Beklagte die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1967 gewährte die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 18. April 1966 bis 30. Juni 1968. Mit Bescheid vom 9. Juli 1968 wurde die Zeitrente verlängert bis zum 31. Januar 1969, mit Bescheid vom 14. Mai 1969 verlängert bis zum 31. März 1969, mit Bescheid vom 11. Februar 1970 verlängert bis zum 30. November 1969. Gegen letzteren Bescheid hat der Kläger seinerzeit Klage erhoben mit dem Ziel einer Dauerrente über den 30. November 1969 hinaus. Mit Urteil vom 16. März 1971 - S-3/J-68/70 - wies das Sozialgericht Darmstadt die Klage ab und stützte sich dabei entscheidend auf ein Gutachten des Prof. Dr. H. von der Orthopädischen Universitätsklinik F. vom 11. August 1970 und des Dr. K., D., vom 18. Dezember 1969. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde wieder zurückgenommen. Mit Bescheid vom 22. Februar 1972 lehnte die Beklagte erneut die Gewährung von Versichertenrente bindend ab. Auf den Antrag vom 3. Januar 1974 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 1974 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 5. Juli 1974 bis 28. Februar 1975. Mit Bescheid vom 7. April 1975 lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Berufsunfähigkeitsrente ab. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1975 gewährte die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. März 1975 als Dauerrente. Mit Bescheid vom 23. Juli 1979 entzog die Beklagte die Rente mit Ende August 1979. Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger im Januar 1981 wieder zurück.
Das hier zu entscheidende Verfahren begann mit einem erneuten Antrag des Klägers vom 7. September 1981 auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 24. November 1981 lehnte die Beklagte diesen Antrag nach Einholung eines sozialärztlichen Gutachtens bei der Internistin Frau Dr. G. vom 26. Oktober 1981 ab mit der Begründung, es seien zwar festgestellt worden Abnutzungsschäden der Wirbelsäule und Muskelminderung des rechten Oberschenkels nach Bruch, Nervenreizung der linken Brustseite, operativ verkleinerter Magen und Lebervergrößerung bei Übergewicht, dem Kläger seien jedoch noch vollschichtig leichte Arbeiten mit Einschränkungen möglich. Damit könne der Kläger noch als Pförtner, Bürohilfskraft für einfache Büroarbeiten oder Materialausgeber tätig sein.
Auf den Widerspruc...