Entscheidungsstichwort (Thema)
Einladung zum Mittagessen anläßlich Höhergruppierung
Leitsatz (amtlich)
Lädt ein Betriebsangehöriger einige Arbeitskollegen anläßlich seiner Höhergruppering zu einem Gasthausessen in der Mittagspause ein, so besteht kein Unfallversicherungsschutz auf dem Weg dorthin, auch wenn der Dienstvorgesetzte teilnimmt und die Mittagspause verlängert.
Normenkette
RVO § 548
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Urteil vom 07.12.1971) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. Dezember 1971 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Witwe des … 1969 an den Folgen eines am 23. Oktober 1969 gegen 12.30 Uhr erlittenen Verkehrsunfalls verstorbenen Angestellten Waldemar Frentze (F.). Sie begehrt die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Die Ermittlungen der Beklagten, die die polizeilichen Ermittlungsakten beigezogen hatte, ergaben, daß F., der bei dem Statistischen Bundesamt in W. beschäftigt war, am Unfalltag von einem bulgarischen Arbeitskollegen anläßlich dessen tariflicher Höhergruppierung zu einem Mittagessen „nach bulgarischer Art” in das Restaurant „Dubrovnic” in W., A.straße, eingeladen worden war. F., der von seiner Dienststelle im G.-S.-Ring kam, war nach den Angaben seines Arbeitgebers offensichtlich zunächst an der Gaststätte vorbeigefahren und dann bei dem durchgeführten Wendemanöver mit seinem Pkw verunglückt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. Februar 1970 die Gewährung einer Entschädigung ab. F. habe am Unfalltag in der Zeit zwischen 11.45 Uhr und 14.00 Uhr eine Mittagspause von 30 Minuten gehabt und üblicherweise sein Mittagessen in der Kantine eingenommen. Am Unfalltag habe er der Einladung seines bulgarischen Arbeitskameraden K. (K.) in eine Gaststätte nachkommen wollen. Diese Gaststätte befinde sich ca. 3,9 km von dem Sitz der Dienststelle entfernt, während die Entfernung vom Arbeitsplatz zur Wohnung des F. nur etwa 2,2 km betrage. Die Fahrt am Unfalltag zu der Gaststätte habe nicht in einem rechtlich wesentlichen, inneren Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit gestanden. Der innere Zusammenhang sei dadurch gelöst worden, daß erhebliche eigenwirtschaftliche Interessen – nämlich die unentgeltliche Einnahme des Mittagessens – für die Zurücklegung des Weges entscheidend gewesen seien. Auch habe das beabsichtigte Aufsuchen der Gaststätte nicht mehr im Einklang mit der Zweckbestimmung der Mittagspause gestanden, da bei deren Kürze und der Entfernung der Gaststätte ohne den Unfall eine Entspannung und Erholung und damit die Erhaltung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit für die Fortsetzung der versicherten Tätigkeit nicht mehr gewährleistet gewesen seien. Ein entschädigungspflichtiger Wegeunfall nach § 550 der Reichsversicherungsordnung (RVO) könne daher nicht anerkannt werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. März 1970 bei dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Der Umstand, daß F. zum Mittagessen in ein Lokal gefahren sei, obwohl er in der Betriebskantine hätte essen können, rechtfertige es nicht, den Unfall nicht als versicherten Wegeunfall anzuerkennen. Es könne nicht entscheidend sein, daß das Restaurant „Dubrovnic” von der Dienststelle weiter entfernt gewesen sei als seine Wohnung. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Mittagessen um eine Einladung eines Arbeitskollegen gehandelt habe. An dem Mittagessen hätten auch weitere Arbeitskollegen und Vorgesetzte der Dienststelle teilgenommen. F. hätte sich deshalb der Einladung nicht entziehen können. Für ihn sei die Teilnahme die Erfüllung einer dienstlichen Verpflichtung gewesen.
Das Sozialgericht hat vom Statistischen Bundesamt W. die Auskunft vom 18. August 1971 eingeholt sowie Reg. Dir. Dr. M. und Oberreg. Rat Dr. G. – beide vom Statistischen Bundesamt – als Zeugen vernommen.
Durch Urteil vom 7. Dezember 1971 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 26. Februar 1970 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Hinterbliebenenrente verurteilt. Es könne dahin gestellt bleiben, ob F. an dem von K. gegebenen Mittagessen habe teilnehmen wollen, weil er wegen der Unentgeltlichkeit eigene Aufwendungen erspart hätte, oder der Weg zu der Gaststätte unverhältnismäßig lang und ob die Erhaltung der Leistungskraft nicht gewährleistet gewesen sei. F. habe sich nämlich auf dem Weg zu einer betrieblichen Veranstaltung befunden, als er verunglückte. Ein solcher Weg sei, wie jeder andere Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück, versicherungsrechtlich geschützt. Die Voraussetzungen zur Bejahung einer betrieblichen Veranstaltung, wie sie von der Rechtsprechung gefordert würden, seien erfüllt. Daß die Initiative zu dem gemeinsamen Mittagessen von dem beförderten bulgarischen Arbeitskollegen K. und nicht von den Betriebsleitern oder dem Betriebs- bzw. Personalrat ausgegangen sei, sei für die Annahme einer unfallversicherungsgeschützten betr...