Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütungsforderung. kein Abschlag bei Verlegung aus dem Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Verlegung aus dem Ausland kommt bezüglich der Vergütungsforderung des aufnehmenden Krankenhauses der Ansatz eines Verlegungsabschlages nach § 3 Abs 2 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 grundsätzlich nicht in Betracht.
2. Die Regelungen der Verlegungsabschläge des § 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 zwischen verlegendem und aufnehmendem Krankenhaus sind Ausdruck eines Gesamtvergütungssystems der beteiligten Krankenhäuser für einen abzurechnenden Behandlungsfall.
3. Die vorgesehene Ausgleichsfunktion im Gesamtvergütungssystem für Krankenhäuser ist bei der Beteiligung eines ausländischen Krankenhauses als verlegendem Krankenhaus nicht gegeben.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. September 2010 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2.609,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Vergütungsforderung des klagenden Krankenhauses ein Verlegungsabschlag abzusetzen ist.
Die 1939 geborene Versicherte der Beklagten, Frau X., befand sich aufgrund einer Legionellenpneumonie zunächst vom 9. Oktober 2008 bis zum 19. Oktober 2008 in stationärer Behandlung im Krankenhaus ihres Urlaubsortes in Z. in der Türkei. Im Zuge der heimatnahen Rückverlegung wurde die Versicherte am 19. Oktober 2008 von der Klägerin übernommen und dort bis zum 28. Oktober 2008 stationär behandelt. Auf die Rechnung der Klägerin vom 16. Dezember 2008, eingegangen bei der Beklagten am 17. Dezember 2008, in Höhe von 6.235,97 € glich die Beklagte am 22. Dezember 2008 zunächst die Vergütungsforderung der Klägerin - unter Vorbehalt - vollständig aus. Mit Schreiben vom 19. Januar 2009 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Behandlungsfalles bezüglich der DRG E62 B. In seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2009 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die kodierte DRG korrekt abgerechnet wurde. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 informierte die Beklagte die Klägerin über dieses Ergebnis und wies darauf hin, dass ein Verlegungsabschlag in Höhe von 2.609,29 € von der Vergütungsforderung in Abrechnung zu bringen sei, da es sich um eine Verlegung aus einem Krankenhaus im Ausland gehandelt habe und in der Klinik der Klägerin die im Fallpauschalenkatalog ausgewiesene mittlere Verweildauer nicht erreicht worden sei. Die Klägerin lehnte eine Rückzahlung des Differenzbetrages ab. In der Folgezeit kürzte die Beklagte eine Rechnung der Klägerin über den stationären Aufenthalt der Versicherten Y. (Rechnungsnummer: 1234567) in Höhe des Differenzbetrages von 2.609,29 € und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 mit.
Am 23. Dezember 2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Darmstadt auf vollständigen Rechnungsausgleich bezüglich des Behandlungsfalles der Versicherten X. unter Beifügung einer Rechnung vom 23. Dezember 2009. § 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV 2008) verwende zwar den Krankenhausbegriff ohne nähere Konkretisierung oder Einschränkung. Da die Abrechnungsbestimmungen ihre Grundlage in § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) hätten, sei die Begriffsbestimmung jedoch an diesem Maßstab auszurichten. Danach müssten beide Krankenhäuser diesem Maßstab unterliegen, was vorliegend bei einem ausländischen Krankenhaus nicht der Fall sei. Auf das verlegende ausländische Krankenhaus fänden zudem die Abrechnungsbestimmungen keine Anwendung, da diese zwischen den Spitzenverbänden der Deutschen Krankenkassen und dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossen worden seien. Ziel des Verordnungsgebers bei der Einführung der Verlegungsabschläge (Fallpauschalenverordnung 2004) sei es gewesen, fehlsteuernde Anreize, die zu einer zu frühen Verlegung des Patienten führen könnten, weitgehend auszuschließen. Darüber hinaus wirkten diese strategischen Verlegungen mit ausschließlich ökonomisch motiviertem Hintergrund entgegen. Der Zweck der Regelungen könne von seinem Sinn nur erfüllt werden, wenn beide Krankenhäuser den Vorschriften des Abrechnungssystems unterlägen, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass ein Verlegungsabschlag auch im vorliegenden Fall vorzunehmen sei, festgehalten. Die Interessenlage sei bei einer Verlegung aus dem Ausland und einer Verlegung aus einer deutschen Klinik identisch. In beiden Fällen sei ein Teil der notwendigen Behandlun...