Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Anspruch auf Hinterbliebenenrente. eigenständiger Rechtsanspruch. keine Bindungswirkung gegenüber Hinterbliebenen. ergangene Bescheide und gerichtliche Entscheidungen gegenüber dem verstorbenen Versicherten. neue Prüfung durch Verwaltung und Gerichte. Kausalität zwischen dem Tod und dem Versicherungsfall des Versicherten. hinreichende Wahrscheinlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist ein eigenständiger Rechtsanspruch.
2. Verwaltungen und Gerichte haben im Rahmen des Hinterbliebenenrentenanspruchs neu zu prüfen, ob bei dem verstorbenen Versicherten ein Versicherungsfall vorgelegen hat und er infolgedessen verstorben ist.
3. Bescheide und gerichtliche Entscheidungen, die gegenüber dem verstorbenen Versicherten selbst ergangen sind, entfalten keine Bindungswirkung gegenüber den Hinterbliebenen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anerkennung bzw Ablehnung des Versicherungsfalles als auch hinsichtlich der Feststellung oder Ablehnung von Verletzungsfolgen (hier: Schluckbeschwerden nach Schädel-Hirnverletzung).
Orientierungssatz
Zur Ablehnung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenleistung gem § 63 Abs 1 S 2 SGB 7 mangels Nachweises, dass der Tod des Versicherten hinreichend wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Folge des Arbeitsunfalls gewesen ist.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fuldas vom 16. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, Ehefrau des 1941 geborenen und 2012 verstorbenen Versicherten B. A., begehrt Rente als Hinterbliebene.
Der Versicherte erlitt am 4. Juli 2007, um 11:30 Uhr, als versichertes Familienmitglied auf dem landwirtschaftlichen Hof seines Neffen beim Entfernen von Spinnweben und Schmutz von der Wand der Getreidehalle einen Unfall. Er fiel von der Leiter und zog sich hierbei ein Schädelhirntrauma zu mit großer rechts frontaler Kontusionsblutung und Galeahämatom.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2008 gewährte die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 100 von Hundert auf Grund der Unfallverletzung „schwere Schädel-Hirnverletzung mit intracranieller Blutung“ und den Unfallfolgen „organisches Psychosyndrom, linksbetonte Tetraparese, Schluckbeschwerden, Stuhl- und Urininkontinenz“. Nicht anerkannt wurden als Unfallfolgen „Zustand nach Hirninfarkt, Niereninsuffizienz, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Adipositas“.
Mit Bescheid vom 17. April 2009 bewilligte die Beklagte dem Versicherten zudem Pflegegeld auf Grund des Zustandes nach Schädel-Hirn-Trauma. Ab 27. August 2012 übernahm sie die Kosten für die Unterbringung des Versicherten in eine Pflegeeinrichtung (Schreiben vom 23. August 2012).
Nachdem der Versicherte am 5. September 2012 verstorben war, beantragte die Klägerin Hinterbliebenenleistungen bei der Beklagten.
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. D., führte in seiner Stellungnahme vom 8. November 2012 aus, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Tod und den bestehenden Unfallfolgen sei nicht wahrscheinlich, denn die verbliebenen Unfallfolgen (Zustand nach Schädelhirnverletzung) zeigten entsprechend den vorliegenden Berichten des Neurologen Dr. E. einen konstanten Verlauf. Die bekannten unfallunabhängigen Erkrankungen seien indes erheblich und wahrscheinlich Todesursache. Mit Bescheid vom 2. Mai 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine einmalige Hinterbliebenenbeihilfe in Höhe von 4.900,16 Euro. Einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente lehnte sie ab. Der Versicherte sei nicht an den Unfallfolgen (Zustand nach Schädel-Hirn-Verletzung) gestorben, sondern an Herzversagen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und legte den Bericht des Klinikums Fulda, Medizinische Klinik III, vom 6. September 2012 vor sowie einen Bericht des Hausarztes des Versicherten, des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. v. F., vom 3. Juni 2014. Die Ärzte des Klinikums Fulda, Direktorin der Klinik Prof. Dr. G., Oberarzt PD Dr. H., Assistenzarzt J., stellten als Hauptbehandlungsdiagnose fest, „Exitus letalis bei therapierefraktär V. a. Pneumonie, a. e. im Rahmen einer Aspirationspneumonie“. Dr. v. F. teilte in seinem Bericht vom 3. Juni 2014 mit, der Versicherte habe sich während seiner letzten 19 Lebensmonate insgesamt 11mal in stationärer Akutbehandlung befunden und zwar aus unterschiedlichsten Behandlungsanlässen. Allein diese Tatsache dokumentiere, dass es sich hier um einen multimorbiden, am Ende bettlägerigen und schwerstpflegebedürftigen Patienten gehandelt habe, der, wie in solchen Fällen häufig, an einer Lungenentzündung/Aspiration verstorben sei. Ursächlich für diesen multimorbiden Zustand seien sicherlich neben den Folgen des Arbeitsunfalles auch seine gesamte Gefäßsituation mit Blutungsneigung, Zustand nach Hirninfarkt, der jahrelange Diabetes (bei Adipositas) mit Infektanfälligkeit (pulmonal, enteral urog...