Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsunfähigkeit. verschlossener Arbeitsmarkt. Arbeitszeitordnung. zusätzliche Arbeitspausen. Betriebsüblichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rentenbewerber, der zusätzliche, in der Arbeitszeitordnung nicht vorgesehene Pausen benötigt, ist nicht mehr in der Lage, Vollzeittätigkeiten unter den in Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen zu verrichten.

Der Arbeitsmarkt ist ihm deswegen praktisch verschlossen (Anschluß an und Fortführung von Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 15. Februar 1985 – L-1/J-399/83 –).

 

Normenkette

RVO § 1247 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 18.10.1978; Aktenzeichen S-8/J-293/77)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Oktober 1978 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Oktober 1978 geändert und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 28. November 1977 verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1978 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Der am 13. Januar 1928 in K./UdSSR geborene Kläger war von Februar 1944 bis April 1945 zunächst als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig. Bis Februar 1960 war er dann in der UdSSR interniert. Am 7. Februar 1960 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über und war hier bis zum 4. Juni 1970 beschäftigt als Bauschlosser und als Kraftfahrzeugschlosser. Seit dem 5. Juni 1970 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis als Heizungsmonteur. Danach war er vom 13. Juli 1976 bis zum 31. Dezember 1977 – unterbrochen durch Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, zuletzt vom 23. September 1977 bis 18. November 1977 – bei der Firma M. – Haustechnik –, M., als Monteur im Kundendienst-Zentralheizungsbau (Auswechseln von Kesseln und Heizkörpern) beschäftigt. Seine Entlohnung erfolgte nach der Lohngruppe 4 (selbständige Monteure). Seit dem 1. Januar 1978 geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.

Nach Durchführung eines medizinischen Heilverfahrens vom 30. Juni 1977 bis 10. August 1977 (ärztlicher Entlassungsbericht vom 10. August 1977), aus dem der Kläger als arbeitsfähig für die bisherige Tätigkeit entlassen wurde, beantragte der Kläger am 21. September 1977 die Gewährung von Versichertenrente und legte einen Befundbericht des praktischen Arztes G. R. vom 29. September 1977 vor, dem Arztbriefe des Röntgenologen Dr. W. vom 25. Januar 1977 und 24. Februar 1977 beigefügt waren. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete daraufhin Dr. V. (SäD M.) ein medizinisches Gutachten vom 10. November 1977, in dem er bei dem Kläger eine chronische Magen- Dünndarmschleimhautentzündung, Vernarbung der Zwölffingerdarmzwiebel nach früheren Geschwüren (keine Entleerungsverzögerung des Magens), Rundrücken mit Wirbelsäulenverschleißerscheinungen und Bewegungseinschränkung nach rückwärts, Taubheit des linken Ohres sowie einen Erschöpfungszustand mäßigen Grades mit Neigung zu Blutunterdruck diagnostizierte. Zum Leistungsvermögen stellte er fest, der Kläger könne noch leichte, zeitweilig auch mittelschwere Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Der Beklagten lagen außerdem Arztbriefe des Dr. W. vom 26. August 1977 und vom 26. Oktober 1977 vor.

Durch Bescheid vom 28. November 1977 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, daß der Kläger noch in der Lage sei, leichte bis zeitweilig auch mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit der hiergegen am 8. Dezember 1977 vor dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, keiner vollschichtigen Tätigkeit mehr nachgehen zu können. Nach der medizinisch festgestellten Leistungseinschränkung sei eine Tätigkeit als Heizungsbauer oder Schlosser nicht mehr möglich. Im übrigen genieße er Berufsschutz als Facharbeiter. Hierzu, hat er Zeugnisse der Firma O. – Heizungsbau, Klimaanlagen – vom 7. September 1972, der Firma E.-Heizungsbau vom 28. Juni 1974 und der Firma Sch. – Heizungs- und Stahlbau – vom 18. März 1976 sowie ein ärztliches Attest des praktischen Arztes G. R. vom 14. Februar 1978 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma M. – Haustechnik – vom 2. Mai 1978 eingeholt sowie Beweis erhoben über die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens auf internistischem Fachgebiet. Der Sachverständige Dr. R. hat in seinem internistischen Gutachten vom 20. Juni 1978 bei dem Kläger ein chronisches Ulcusleiden, degenerative Skelettveränderungen, Übererregbarkeit des unbewußten Nervensystems, Zustand nach Genußmittelabusus, Zustand nach Gesichtsverletzungen sowie eine ein...

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