Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Facharztes auf sein jeweiliges Fachgebiet
Orientierungssatz
1. Die auf landesrechtlicher Grundlage erworbene Fachgebietsbezeichnung eines Vertragsarztes begrenzt dessen vertragsärztliche Tätigkeit auf dasjenige Fachgebiet, für das die Facharztbezeichnung erworben wurde. Das Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist auf die Behandlung von weiblichen Patienten beschränkt. Damit ist einem Frauenarzt jegliche Behandlung von Männern verwehrt (BSG Urteil vom 20. 10. 2004, B 6 KA 67/03 R). Infolgedessen ist eine substitutionsgestützte Behandlung männlicher Opiatabhängiger durch einen Frauenarzt nicht abrechnungsfähig.
2. Der Vertragsarzt ist ohne Ausnahme gehalten, die berufsrechtliche Verpflichtung zur grundsätzlichen Beschränkung auf das jeweilige Fachgebiet zu beachten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, begehrt ab dem Quartal III/12 die Genehmigung zur Abrechnung von Behandlungen von männlichen Patienten, insbesondere im Rahmen der substitutionsgestützten Behandlung von Opiatabhängigen, über die sog. 3 %-Regelung hinaus.
Die Klägerin ist seit 1. November 2009 als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt zugelassen. Sie ist seit dem 3. November 2008 zur Führung der Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" berechtigt und verfügt über eine Genehmigung vom 13. September 2010 zum Betrieb einer Zweigpraxis zur substitutionsgestützten Behandlung von Opiatabhängigen. Die Zweigpraxis befindet sich in C-Stadt.
Die Klägerin beantragte unter dem 8. November 2012 die Genehmigung zur Abrechnung der Behandlung von männlichen Patienten im Bereich der suchtmedizinischen Grundversorgung ohne den Ansatz einer Begrenzung von 3 % der Behandlungsfälle, jedenfalls bis zur Grenze der maximal für sie zulässigen Gesamtfallzahl, und die Auszahlung ungekürzten Honorars ab dem Quartal III/12. Zur Begründung führte sie aus, nach der vom Vorstand der Beklagten beschlossenen Regelung dürften Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe lediglich in einem begrenzten Rahmen von 3 % der Gesamtfallzahl Leistungen bei männlichen Patienten berechnen, abgesehen von Notfällen, präventiven Impfleistungen und Leistungen der Reproduktionsmedizin. Unter die 3 %-Grenze und daher bei der Abrechnung nicht zu berücksichtigen fielen nach Auffassung der Beklagten im Quartal III/12 die Behandlungen von fünf von ihr behandelten männlichen Patienten. Lediglich bei zwei dieser Patienten handele es sich um gynäkologische Behandlungen in ihrer Hauptpraxis, von insgesamt 211 Fällen seien dies weniger als 3 %. Die Absetzung sei damit rechtswidrig. Bei den drei weiteren männlichen Patienten handele es sich um reine suchtmedizinische Behandlungen in ihrer Zweigpraxis. Auch insoweit sei eine Absetzung rechtswidrig. Seit November 2008 sei sie zur Führung der Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" berechtigt. In ihrer Zweigpraxis dürfe sie substitutionsgestützte Behandlungen von Opiatabhängigen durchführen. Die Leistungen aufgrund dieser Genehmigung seien unabhängig von ihrem Facharztstatus. Auf diese Patienten könne die 3 %-Regelung nicht angewandt werden. Die Genehmigung unterscheide nicht zwischen weiblichen und männlichen Opiatabhängigen und beschränke sich nicht auf die Behandlung von weiblichen Personen. Die suchtmedizinische Behandlung und Abrechnung der männlichen Patienten in ihrer Zweigstelle in C-Stadt der 3 %-Regelung zu unterwerfen, verletze sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) sowie ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Sie behandle in C-Stadt lediglich acht männliche Substitutionspatienten, dies falle kaum ins Gewicht angesichts ihrer Fallzahl im dreistelligen Bereich. Deren Versorgung sei jedoch für sie von existenzieller Bedeutung, denn sie erhalte für ihre Tätigkeit in der Zweigstelle in C-Stadt, die sie dort erst seit dem 1. Juli 2012 betreibe, keinen einzigen Cent, wobei ihr im Ergebnis wegen der 3 %-Regelung weniger als die Hälfte derjenigen vertragsärztlichen Vergütung gekürzt werde, die ihr ohne diese Kürzungen aus der gesamten vertragsärztlichen Tätigkeit in C-Stadt und A-Stadt zustünde.
Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 22. Januar 2013 ab. Sie wies auf § 2 ihrer Abrechnungsrichtlinien hin, wonach bei der Rechnungslegung die Grundsätze der Weiterbildungsordnung zu beachten seien, wonach Ärzte, die eine Gebietsbezeichnung führten, grundsätzlich nur in diesem Gebiet und Ärzte, die eine Teilgebiets- bzw. Schwerpunktbezeichnung führten, im Wesentlichen nur in diesem Teilgebiet bzw. Schwerpunkt tätig werden dürften. Wenn die eingereichten Behandl...