Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich des § 86 SGG. Bescheid über die Höhe des Regelleistungsvolumens. Honorarbescheid. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Bestandskraft. Rechtsschutzbedürfnis
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 86 SGG ist, dass der neue Verwaltungsakt den mit Widerspruch angefochtenen Bescheid abändert.
2. Dies richtet sich nach dem Regelungsgehalt einerseits des ersten Bescheids und andererseits des Folgebescheids.
3. Eine Abänderung setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand - also die im Verfügungssatz getroffene Regelung - des neuen Bescheids mit dem des früheren Bescheids identisch ist.
Normenkette
SGG §§ 77, 86
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Regelleistungsvolumens für die Quartale II/09 und III/09.
Die Klägerin ist seit 30. April 2002 als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für das 2. Quartal 2009 betrage das Regelleistungsvolumen (RLV) ihrer Arztpraxis 29.853,13 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 27. Mai 2009 wurde das RLV der Praxis für das III. Quartal 2009 auf 27.017,02 Euro festgesetzt. Die arztbezogene Berechnung des RLV stellte die Beklagte in der nachfolgenden Tabelle dar:
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Quartal |
RLV-relevante Fallzahl |
Fallwert |
Fallwertab- staffelung |
Altersstruktur- quote |
Aufschlag fachgleiche BAG |
Regelleistungs- volumen |
II/09 |
1.985 |
14,92 Euro |
1,0000 |
1,0080 |
1 |
29.853,13 Euro |
III/09 |
1.984 |
13,50 Euro |
1,0000 |
1,0087 |
1 |
27.017,02 Euro |
Hiergegen legte die Klägerin am 17. März 2009 bzw. 5. Juni 2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, sie verfüge über einen allergologischen Schwerpunkt und habe im Vorjahresquartal II/08 in 312 Fällen die Leistung nach Nr. 30130 EBM sowie die erforderliche Diagnostik erbracht. Der Fallwert in Höhe von 14,92 Euro bzw. 13,50 Euro sei vollkommen unzureichend. Im Vorjahresquartal II/08 habe sie 85 Fälle behandelt, bei denen die Zusatzpauschale Onkologie nach Ziffer 10345 EBM zur Abrechnung gekommen sei. Diese sowie sämtliche Leistungen, die außerhalb der Grundpauschale und innerhalb des Regelleistungsvolumens erbracht würden, würden bei dem zugrunde gelegten Fallwert nicht mehr vergütet. Im Quartal II/08 habe der Fallwert noch 18,26 Euro betragen. Die niedrige Vergütung betreffe nicht nur einzelne Leistungen, sondern das gesamte Leistungsangebot. Im Hinblick auf ihren allergologischen Schwerpunkt beantragte sie ferner eine Sonderregelung.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihrem Antrag auf Änderung des RLV für die Quartale II/09 und III/09 könne nicht entsprochen werden. Nach dem Honorarvertrag ergäben sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Fachgruppe von mind. 30 % vorliege. Diese Voraussetzungen lägen - wie die Beklagte im Einzelnen ausführte - weder im Hinblick auf die allergologischen noch auf die onkologischen Leistungen vor. Hiergegen legte die Klägerin am 2. November 2009 Widerspruch ein.
Bereits am 11. Oktober 2009 hatte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das Quartal II/09 auf 49.610,31 Euro netto festgesetzt. Für das Quartal III/09 erging der Honorarbescheid am 23. Dezember 2009 mit einem Nettohonorar von 48.685,08 Euro. Gegen die Honorarbescheide legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für die Quartale II und III/09 sowie gegen den Bescheid zum Antrag auf eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für diese beiden Quartale zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Juli 2010 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Sie hat geltend gemacht, aufgrund ihrer allergologischen und onkologischen Spezialisierung hätten die Fallwerte angehoben werden müssen. Der Fallwert liege teilweise unter den Ordinationskomplexen. Insbesondere im Quartal III/09 zeige sich, dass bei der Ermittlung der Fallwerte von der Gesamtvergütung zu viel Honorar für Vorwegleistungen und für Leistungen, die zu festen Punktwerten zu vergüten seien, in Abzug gebracht worden seien. Dadurch sei das Vergütungsvolumen, für das die RLV-Leistungen zur Verfügung gestanden hätten, derart gering gewesen, dass neben der Grundpauschale keine nennenswerten Leistungen hätten abgerechnet werden können.
Mit Urteil vom 16. November 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherun...