Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Kausalität. Konkurrenzursache. degenerativer Gesundheitsschaden. Epicondylitis. psychische Gesundheitsstörung. haftungsbegründende Kausalität. Posttraumatische Belastungsstörung. Ausrutschen auf Eis. Vollbeweis. Überforderungssyndrom. gängiges Diagnosesystem. mittelbare Unfallfolge. Beeinträchtigung von Aktivität und Teilhabe. zeitlicher Zusammenhang
Orientierungssatz
1. Eine Epicondylitis kann nur selten auf ein Trauma zurückgeführt werden. Zur Bejahung der Kausalität müssen ein stärkeres Trauma direkt auf den Epikondylus, gesicherte Gewebeschädigungen (Hämatom, sichtbare Weichteilschwellung, Bluterguss, Prellmarke, Druckschmerz), vorherige Bewegungs- und Schmerzfreiheit und ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben sein.
2. Das Ausrutschen auf Eis erfüllt als Unfallereignis bereits nicht das A-Kriterium der Posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM 5, nämlich die Konfrontation mit Tod, tödlicher Bedrohung oder ernsthafter Verletzung bzw. nach ICD-10-GM, F43.1 die Konfrontation mit einem belastenden Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
3. Psychische Gesundheitsschäden liegen nur im Vollbeweis vor, wenn sie gem gängiger Diagnosesysteme unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen genau definiert sind. Das vom Sachverständigen diagnostizierte "Überforderungssyndrom" ist kein solcher Gesundheitsschaden.
4. Psychische Gesundheitsschäden lassen sich nicht hinreichend wahrscheinlich auf ein Unfallereignis zurückführen, wenn dafür Brückensymptome und Anknüpfungstatsachen fehlen.
5. Psychische Störungen können höchstens dann eine mittelbare Folge eines bei einem Unfall verursachten Körperschadens sein, wenn die körperlichen Schädigungsfolgen zu einer relevanten Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe führen und sie in einem dazu geeigneten zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall begonnen haben.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 5. August 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger einen Anspruch auf die Zahlung einer Rente ab dem 1. März 2009 aufgrund eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 12. Januar 2009 hat.
Der 1956 geborene Kläger befand sich am 12. Januar 2009 auf einem Seminar. Als er seinen Koffer aus dem Auto holen wollte, rutschte er auf Eis aus und fiel auf die linke Seite. Seine Arbeitgeberin war (ist) die C. AG.
Am 13. Januar 2009 suchte der Kläger den Durchgangsarzt Dr. H. auf. Dieser stellte fest, dass der Kläger unter Druck- und Bewegungsschmerzen im Bereich der linken Schulter litt und die Beweglichkeit schmerzhaft eingeschränkt war. Schwellungen oder Hautverletzungen lagen nicht vor. Ebenfalls konnten keine neurologischen Ausfälle festgestellt werden. Im Bereich des linken Sprunggelenks fand sich eine Schwellung. Es wurden eine Prellung der linken Schulter und des linken Oberarms und eine Distorsion/Prellung des linken Sprunggelenks als Diagnosen angegeben. Bei einer weiteren Untersuchung am 15. Januar 2009 wurden eine druckschmerzhafte Schwellung am linken Außenknöchel und eine leichte Druckschmerzhaftigkeit ohne Erguss und mit freier Beweglichkeit des linken Kniegelenks und Schulterbeschwerden befundet. Bei Nachuntersuchungen am 19. Januar 2009 und am 6. Februar 2009 bestanden beim Kläger noch Beschwerden im Sprunggelenk. Die vom Sprunggelenk angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten keinen Anhalt einer knöchernen Verletzung. Auch zeigte sich keine Bandinstabilität. Ein Talus Vorschub war nicht auslösbar.
Als sich der Kläger am 23. Februar 2009 erneut beim Arzt vorstellte, klagte er über Schmerzen in der oberen Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung in die linke Schulter und den linken Arm. Im Bereich der linken Schulter und des linken Arms fanden sich Druck- bzw. Bewegungsschmerzen. Ein MRT der linken Schulter vom 23. Februar 2009 zeigte ein Impignementsyndrom, eine aktivierte Arthrose des Akromioklavikulargelenks, mögliche Einrisse der Infraspinatussehne und eine Bursitis subdeltoidea/subacrominalis. Ein MRT des linken Kniegelenks zeigte eine Läsion des Innenmeniskus im Hinterhorn und in der Pars intermedia, eine Chondromalazie des medialen Kompartments und der lateralen Femurkondyle. Außerdem bestand der Verdacht auf eine Teilruptur des vorderen Kreuzbands. Am 24. Februar 2009 wurde das linke Ellenbogengelenk des Klägers geröntgt. Auffälligkeiten zeigten sich nicht. Ein MRT der HWS und der BWS zeigte Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten C3 bis C6 und Bandscheibenvorfälle der Segmente Th1/2, Th 5/6 und Th 10/11. Sonst fanden sich keine Veränderungen. Das MRT des Sprunggelenks zeigte eine komplette Ruptur des Ligamentum fibul...