Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung ≪KÄV≫. Honorarverteilungsvertrag. Ausgleichsregelung zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen. junge Praxis. Befugnis. Vorstand einer KÄV. abweichende Regelung

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtmäßigkeit einer Ausgleichsregelung zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen im Rahmen eines Honorarverteilungsvertrages, soweit sie auch junge Praxen betrifft.

2. Zur Befugnis des Vorstandes einer Kassenärztlichen Vereinigung, eine abweichende Regelung zugunsten junger Praxen zu treffen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin vom 14. Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden.

Klägerin und Beklagte haben jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Sonderregelung zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 und zur Härtefallregelung nach Ziffer 7.5 der Honorarvereinbarung der Beklagten mit den Verbänden der Krankenkassen (HVV in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. November 2005) bzw. nach § 5 Abs. 3 (und 4) HVV (in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 - info.doc Nr. 6 - Dezember 2007) sowie in der am 1. Januar 2008 geltenden Fassung vom 21. Mai 2008 - info.doc Nr. 3a - Juli 2008) für die Quartale II/2005 bis I/2008.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mit Praxissitz in A-Stadt seit 1. April 2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihre Praxiszulassung ruhte vom 1. April 2008 bis 31. März 2009, weil die Praxis zur Nachfolge ausgeschrieben ist.

Der HVV (2005) der Beklagten enthält unter Ziffer 6.3 (Bildung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens) folgende Regelungen:

"Die Bewertung der Honorarforderungen einer Praxis, die der Honorargruppen A2/B2 bzw. einer entsprechenden Honorar(unter)gruppe zugeordnet sind, erfolgt auf Basis eines Regelleistungsvolumens, soweit für die in der Praxis vertretenen Arztgruppen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen benannt sind.

Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zutreffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:

- 130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen,

alternativ

- 30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte.

Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.

Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach vorstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.

Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BMVÄ beziehungsweise § 25 Abs. 1 S. 1 GKV) zu Grunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durch...

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